Alice Ammermann; Tilman Röhrig; Gerhard Schmidt

Der Sklave Calvisius : Alltag in einer römischen Provinz 150 n. Chr.

Niederhausen/Ts. : Falken-Verl., 1979

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Inhalt

Calvisius erzählt über sich und die Sklaven

Calvisius, ein syrischer Soldat, wird von den Römern gefangengenommen und als Sklave verkauft.

Auf der Flucht

Calvisius, jetzt Sklave des Statthalters in Köln, ist geflohen. Er gelangt zum Haus des Tonwarenhändlers Claudius, wo nur dessen Kinder Marcus und Cornelia sind. Sie lassen zu, daß er sich vor der Wache versteckt, die nach ihm sucht. Calvisius erzählt ihnen, daß er zu seinem Bruder Argos will, der Sklave in Bonn ist, und die Kinder wollen ihm helfen, dorthin zu gelangen.

Die Verhaftung

In einer Schenke treffen sich Marcus und Calvisius mit dem Händler Plinius. Er soll Calvisius mit nach Bonn nehmen. Als Calvisius in eine Schlägerei gerät, weil er ein Schankmädchen beschützen will, wird er jedoch verhaftet.

In der Villa des Statthalters

Calvisius dient dem Statthalter als Sklave und muß ihm bei seinen Spielchen helfen, die er mit dem aus Rom angereisten Schmuckhändler Libidus treibt. Außerdem muß er ein entkommenes Huhn jagen. Der Statthalter ist mit Calvisius und anderen Sklaven so unzufrieden, daß er beschließt, sie zu verkaufen.

Auf dem Markt

Ein Germane, der mit Fellen handelt, besucht den römischen Markt. Der Tonwarenhändler Antonius will mit ihm aber keine Tauschgeschäfte treiben, sondern verlangt Geld. Dann sucht Antonius mit seinem Sohn Julius, der Zahnschmerzen hat, den Stand eines Arztes auf. Unterdessen läßt sich Antonius' einfältiger Sklave Rectus von dem Germanen übers Ohr hauen. Während Julius ein Zahn gezogen wird und Antonius bei seiner Rückkehr seinen Stand leer und seine Sklaven betrunken vorfindet, wird Calvisius an einen Bauunternehmer zum Straßenbau verkauft.

Beim Straßenbau

Calvisius schuftet beim Bau einer Straße. Als angeblich ein riesiger Bär nachts die von einem Germanen gelieferten Randsteine auffrißt, legt Calvisius sich auf die Lauer. Der "Bär" ist in Wirklichkeit der Germane, der so die Römer zu betrügen versucht. Weil er den Steindiebstahl beendet hat, wird Calvisius von dem Centurio, der die Aufsicht über den Bau führt, gekauft und zu seinem persönlichen Sklaven gemacht.

Als Schreiber im Militärlager

Calvisius' Herr ist zum Präfekten eines Militärlagers befördert worden; Calvisius dient ihm als Schreiber. In seiner Freizeit trainiert er germanische Jungen aus dem Lagerdorf im Waffengebrauch. Er ist beteiligt, als neue Rekruten ins Heer aufgenommen werden, die überrascht feststellen müssen, daß der römische Militärdienst weniger mit Ruhm und Ehre als mit Anstrengung und Plackerei verbunden ist.

Sein Herr ist tot

Zwei Jahre nach seinem Abschied aus dem Militärdienst stirbt der Präfekt. Calvisius muß sich um die würdige Beisetzungsfeier nach römischem Ritus kümmern. Der Neffe des Präfekten freut sich auf seine Erbschaft und kündigt an, Calvisius zu verkaufen, doch der aus Mainz angereiste Statthalter verliest das Testament des Präfekten: dieser hat Calvisius zum Erben eingesetzt.

Ärger mit den Römern

Nach dem Wunsch seines ehemaligen Herrn bleibt Calvisius als Schreiber im Lagerdorf. Er setzt für den Bauern Ortwin einen Vertrag auf, der mit dem römischen Militär Streit um ein Stück Land hat. Der römische Landvermesser verzichtet auf das Land, als er es voller Steine sieht (die die Germanen aber eigens herangeschafft haben, um ihn zu täuschen).

Als Lehrer bei den Germanen

Calvisius unterrichtet einige Kinder aus dem Lagerdorf, stößt aber bei den Germanen auf Widerstände. Während der Bauer Helmbrecht seine Söhne zu römischen Gelehrten gemacht haben möchte, wollen andere wie der Priester Arbogast die germanische Jugend in den althergebrachten Sitten und Glaubensregeln unterrichten.

Die Hochzeit

Calvisius empfindet Zuneigung zu Walpurga, der Tochter des Dorfältesten. Dieser aber will sie mit dem Sohn Ortwins verheiraten. Calvisius, der der Dorfjugend dabei hilft, eine römische Hochzeit nachzuspielen, kann Walpurga nicht dazu bringen, mit ihm zu fliehen.

Als freier Mann nach Rom

Calvisius will nach Rom reisen. Heilmar, der Sohn des Dorfältesten, möchte ihn begleiten. Vorher aber soll er wie alle Jungen seines Alters an der Zeremonie der Neuen Speere teilnehmen, mit der er zum Mann erklärt wird. Der Präfekt verbietet die Feier und läßt sich nur widerwillig von Arbogast und Calvisius überzeugen, daß sie harmlos ist und nicht gegen Rom gerichtet. Heilmar entscheidet sich im letzten Augenblick, doch nicht mit Calvisius wegzugehen.

Bewertung

In seinem Aufbau erinnert dieses Werk an den ein Jahrzehnt später erschienenen Report aus der Römerzeit von Stöver und Gechter (siehe Rezension). Hier wie dort gibt es eine abwechselnde Folge von erzählenden Passagen und Sachteilen. Da es sich um ein Begleitbuch zu einer Fernsehserie handelt, ist die Geschichte von Calvisius reich mit Standphotos aus dieser Serie illustriert, zusätzlich zu den Abbildungen im nichtfiktionalen Teil, bei denen es sich vor allem um Rekonstruktionszeichnungen und Photos archäologischer Funde handelt.

Das ganze ist zwangsläufig sehr didaktisch angelegt. Wie bei vielen Werken dieser Art hat man mitunter den deutlichen Eindruck, daß ein Katalog von Antiquaria abgehandelt wird, der unabhängig von der Handlung festgelegt worden ist. Diese tritt deswegen sehr in den Hintergrund und hat eigentlich kaum eine eigene Bedeutung. Es kommt noch hinzu, daß die Ableitung von einer Fernsehserie mit sich bringt, daß die Spielszenen eher dramatisch und nicht erzählerisch angelegt sind. Über die Art der damaligen Realisierung kann hier nur spekuliert werden, weil die Serie (an der bekannte Schauspieler mitwirkten) seit Jahren nicht mehr im Fernsehen zu sehen war.

Die Geschichte von Calvisius zerfällt in einzelne Abschnitte, in denen er nicht immer im Mittelpunkt steht (so bei der Schilderung des römischen Markts), und als Person bleibt er ebenso blaß wie alle anderen Figuren. Aber nach einem literarischen Anspruch darf man bei dieser Textart nicht fragen, sondern nur danach, wir weit sie den Zweck erfüllt, eine anschauliche Einführung in das Leben der Vergangenheit zu geben.

Ich habe bei diesem Band gewisse Zweifel, ob er diese Aufgabe erfüllen kann, weil er in noch stärkerem Maße als das Werk von Stöver und Gechter einen etwas zusammenhanglosen und beliebigen Eindruck macht. Trotz der drei aufgeführten wissenschaftlichen Berater (Gerd Biegel, Walter Meier-Arendt und Peter Nölke) gibt es manche Ungenauigkeiten und Versehen (siehe Anhang), sowohl im Sachteil als auch in den erzählenden Passagen (die vermutlich vom bekannten Jugendbuchautor Tilman Röhrig stammen). Vieles wird zu sehr verallgemeinert; wie leider oft üblich, werden Verhältnisse in Rom, über die uns literarische Quellen unterrichten, unkritisch auf die Provinzen übertragen. Auch das Germanenbild wirkt sehr konventionell und stammt teilweise direkt aus Tacitus' Germania, davon abgesehen, daß in den vici von Limeskastellen im 2. Jahrhundert wohl überwiegend keine Germanen gelebt haben (auch in den Jugendbüchern um die Jahrhundertwende, die den Limes schilderten, gab es zuweilen germanische Siedlungen in der Nähe der Kastelle). Bemerkenswerterweise findet sich aber praktisch keine Wertung für oder gegen Rom. Als Kulisse für die entsprechenden Szenen der Fernsehserie diente offensichtlich das Saalburg-Kastell; vom Limes ist allerdings nirgendwo die Rede.

Anhang

Einige der Ungenauigkeiten und Fehler:

Weitere Meinungen

Georg Veit, "Jugendbücher : die Römer in Germanien", Der altsprachliche Unterricht 31 (1988), Heft 4, S. 78-79:

"Aufgelockerter, farbenprächtiger und informativer kann man sich ein Buch kaum vorstellen. Und dennoch liegt gerade in dieser Auffächerung des Gegenstandes die Schwäche des Buches. In dem Bedürfnis, möglichst viel vom historisierenden Aufwand des Films und zum Thema römisch-germanischer Alltag unterzubringen, wird das Buch ein wenig zerfasert. Erzählung und Information sind verwirrend neben- und ineinander arrangiert, viele eher belanglose Filmszene blähen den Band auf, zügeln unnötig die Phantasie und drängen die etwas blaß geratene (Drehbuch-)Erzählung in den Hintergrund. Die Photos präsentieren besonders im zweiten Teil Römer und Germanen in adrett gebügelten Kostümen und mit Biedermannsmiene, was eine falsche Vorstellung vom Alltag am Limes hervorruft.
[...]
Der große Vorteil des Buches bleibt dennoch sein bunter Reichtum."