Ulrich Uhl

Dietmar und Dietlinde : die Abenteuer zweier germanischer Königskinder

In: Die Rasselbande, Heft 3 bis 18 (1956)

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

1. Römische Truppen unter dem General Antonius zerstören den Sitz des chattischen Gaukönigs Walarich, der im Kampf fällt; seine Frau Irmtrud und die Kinder Anshelm, Adalgard, Dietlinde und der Adoptivsohn Dietmar geraten in römische Gefangenschaft. Antonius und der Oberst Lucius, Kommandant des Saalburg-Kastells, werden zu ihrem Ärger vom Prinzen Junius daran gehindert, Irmtrud und Adalgard für sich als Sklavinnen zu nehmen. Aus Trotz beschließen sie, die jüngeren Kinder Dietmar und Dietlinde in die Sklaverei zu verkaufen.

2. Der alte Feldhauptmann Flavius Silvinus bringt Irmtrud und Adalgard auf Befehl des Junius in seinem Quartier an der Saalburg unter. Auf ihren Wunsch holt er auch den verwundeten Anshelm. Dietmar und Dietlinde müssen aber mit den anderen Germanenkindern den syrischen Händlern folgen, an die man sie verkauft hat. Auf dem Weg ins Tal begegnen sie dem Kaiser Alexander Severus und seiner Begleitung, der die Kinder den Syrern wieder abnimmt und zur Saalburg zurückbringt.

3. Als man dem Kaiser auf der Saalburg meldet, daß Dietmar und Dietlinde verschwunden sind und auch der Kommandant und Flavius Silvinus nicht zu finden sind, ist Alexander Severus sehr erstaunt. Wie sich herausstellt, hat Lucius den Feldhauptmann zum Tode verurteilt, weil er das Schwert gegen ihn erhoben habe. Der Kaiser wandelt die Strafe in Degradierung um. Von seinem Vetter Junius erfährt er später, daß weitere Mitglieder der Familie Walarichs auf der Saalburg sind. Im Quartier des Silvinus finden sie aber nur Anshelm, der berichtet, wie es zum Streit zwischen dem Feldhauptmann und Lucius gekommen ist, der die Frauen für sich haben wollte. Der Kaiser erkennt, daß er die Lage falsch eingeschätzt hat, enthebt Lucius seines Kommandos und läßt Silvinus sowie die zum Sklavenmarkt nach Nida geschafften germanischen Frauen wieder auf die Saalburg bringen.

4. Von einem griechischen Händler erfährt Silvinus, daß die Germanen einen Angriff auf die Saalburg planen. Er fordert Verstärkung an und bespricht mit dem Lagermeister Faustus Corbulo die Verteidigung des Kastells. Dabei mischt ihnen die von einem Helfer des Griechen benachrichtigte Irmtrud ein Schlafmittel in den Wein, das sie auch den Wachen an den Toren gibt, so daß die in der Nacht anrückenden Germanen leichten Zugang haben. Am Nordtor werden Dietmar und Dietlinde (noch auf Befehl des Lucius) gefangengehalten. Im allgemeinen Getümmel des Angriffs können sie sich befreien, nur um wieder auf Lucius zu stoßen, der mit fünf Zenturien zum Entsatz gekommen ist.

5. Lucius wird nach dem zurückgeschlagenen Angriff vom Kaiser auf Vorschlag des Silvinus wieder zum Kommandanten eingesetzt. Dietmar und Dietlinde leben weiter in der Saalburg, während Irmtrud, Adalgard und Anshelm entkommen sind. Sie bieten an, die beiden Kinder gegen den entführten Faustus einzutauschen, doch Lucius lehnt brüsk ab. Daraufhin planen Dietmar und Dietlinde die Flucht, indem sie einen Gang unter dem Lagerwall graben. Als sie damit fast fertig sind, werden sie von den Römern entdeckt.

6. Sie werden ins Verlies geworfen, wo Dietlinde an Fieber erkrankt. Als der Lagerpolizist Muro sich weigert, Dietlinde behandeln zu lassen, greift Dietmar ihn an und kann erreichen, daß Dietlinde zum Arzt gebracht wird; doch Muro läßt Dietmar nun anketten, bis er zusammen mit der wieder genesenen Dietlinde auf einem Karren aus dem Kastell gebracht wird.

7. Ziel der Reise ist die Stadt Nida, wo die Kinder vom Prinzen Junius in dessen Palast untergebracht werden, nachdem Dietmar Dietlinde zuliebe versprochen hat, nicht zu fliehen.

8. Dietmar ist gerade dabei, vom Lehrer Aulus Metellus Schreiben und Lesen zu lernen, als er von Dietlinde erfährt, daß der Soldat Carolus, dem sie es zu verdanken haben, daß sie aus den Händen des Lucius gerettet wurden, hingerichtet werden soll, weil er seinen Posten verlassen hat. Dietmar befreit ihn heimlich aus dem Kerker. Junius ist wütend, als die Kinder ihm dies gestehen, und läßt Dietmar, der nicht sagen will, wo er Carolus versteckt hat, in den Kerker werfen.

9. Sechs Jahre später begegnen wir dem inzwischen neunzehnjährigen Dietmar als Offizier der kaiserlichen Leibgarde in Rom wieder. Junius ließ ihn nach einigen Tagen auf Bitten seiner Mutter frei, die Dietmar und Dietlinde an Kindes Statt annahm. Jetzt ernennt Alexander Severus Dietmar sogar zum Prinzen mit dem Ehrentitel "Vetter des Kaisers".

10. Kurz zuvor hat Dietmar dem Kaiser das Leben gerettet. Der junge Germane ist dennoch nicht ganz glücklich in Rom, und seine Unzufriedenheit steigt, als Alexander Severus die herangewachsene Dietlinde mit Antonius, jetzt Kommandant der Garde, verheiraten will.

11. Dietlinde erscheint nicht zur feierlichen Hochzeitszeremonie, sehr zur Verärgerung des Kaisers, der erfahren muß, daß Dietmar sie fortgeschafft hat. Als Alexander Severus erfährt, daß Dietmar dies getan hat, weil er Dietlinde liebt, ist er versöhnlicher gestimmt und "verbannt" Dietmar für zwei Jahre aus Rom, um Antonius zu besänftigen: Dietmar wird Kommandant der Saalburg.

12. Im Kastell wird er von Flavius Silvinus und der Kohorte begeistert empfangen. In die Freude platzt Lucius Candidus, jetzt General und Grenzbefehlshaber, der Dietmar voller Haß entgegentritt.

13. Kaum sieht Dietmar die von ihm auf die Saalburg geschickte Dietlinde (in Begleitung ihrer Adoptivmutter Sabina Poppäa) wieder, will Candidus ihn als Verräter festnehmen lassen. Dietmar entkommt mit Hilfe des Silvinus über den Limes und trifft chattische Landsleute, die berichten, daß Candidus seinen Bruder Anshelm ermordet hat.

14. Nach sieben Jahren in der Fremde trifft Dietmar seine Stiefmutter Irmtrud wieder, die in ernster Stimmung ein Gedenkmahl für die Toten bereitet. Dietmar erfährt Näheres über Anshelms Tod: bei einer waffenlosen Unterredung, bei der Anshelm die Freilassung von Dietmar und Dietlinde forderte, hat der römische General ihn erschlagen. Irmtrud fordert von Dietmar Rache, doch dieser will erst den Kaiser benachrichtigen, auf dessen Einsicht er hofft.

15. Nachdem keine Nachricht von Alexander Severus gekommen ist, brechen die Germanen gegen die Saalburg auf, mit Dietmar als Herzog, der einen Kampf gern vermeiden würde. An der Grenze stoßen sie auf einen Galgen, an dem der Kaiser den General Candidus aufhängen ließ. Trotzdem beginnt der Angriff auf die Saalburg; deren Verteidigung leitet Flavius Silvinus, der schließlich Dietmar gegenübertritt und ihn zum Zweikampf herausfordert.

16. Im Kampf bleibt Silvinus siegreich, doch schont er Dietmars Leben, der daraufhin ihm und den Römern freien Abzug gewährt. Die Germanen stoßen weiter zum Rhein vor, wo der Kaiser eine Abwehrstreitmacht zusammenzieht. Alexander Severus bittet Dietmar um eine Unterredung und schlägt ihm ein Abkommen vor: die Germanen bekommen Dietlinde und das Land bis zum Rhein, dafür gewähren sie den Römern Frieden. Dietmar nimmt an und heiratet Dietlinde. Auf ihrem Hof im Chattengau erhalten sie später die Nachricht, daß Alexander Severus und seine Familie von unzufriedenen Soldaten erschlagen wurden. Flavius Silvinus ist gefangen, und Dietmar will ihn befreien.

Bewertung

Die in sechzehn Fortsetzungen in der Jugendzeitschrift Rasselbande erschienene Geschichte folgt überwiegend bewährten Vorbildern. Zahlreiche Züge erinnern noch an Jugendbücher aus der ersten Jahrhunderthälfte, und besonders mit einigen früheren Saalburgromanen lassen sich Übereinstimmungen aufzeigen. Ohne Zweifel kannte der (sonst bisher nicht nachzuweisende) Autor Uhl den Roman Limes Romanus von Spielmann, dem er zum Beispiel die Verschleppung eines jungen germanischen Geschwister(?)-Paares entnahm; auch die Gestalt des Flavius Silvinus geht wohl auf Spielmanns Gaius Marius zurück, und für den Prinzen Iunius übernahm Uhl sogar den Namen. Weitere Parallelen ließe sich hinzufügen (ein vergebliches Angebot zum Gefangenenaustausch, ein römischer Angriff auf eine germanische Gesandtschaft).

Trotzdem ist die Geschichte keineswegs ein Plagiat, da die Handlung im wesentlichen völlig unterschiedlich verläuft, von der anderen chronologischen Ansetzung einmal abgesehen. Es fehlen auch jegliche "anstößige" Szenen oder Verweise auf das Christentum, was bei einer Geschichte, die unter Severus Alexander spielt, schon etwas ungewöhnlich ist (der Wachsoldat Carolus soll wohl ein Christ sein, dies wird aber nicht ausdrücklich gesagt).

Die Handlung wirkt mitunter etwas sprunghaft, und mehrmals verschwinden Personen für einige Zeit, ohne daß es dafür eine besondere Erklärung gibt. Gerade die Titelhelden bleiben zumindest in den ersten Fortsetzungen recht blaß, Dietlinde eigentlich bis zum Schluß. (Die beiden verschwinden zwischen dem Anfang von 3 und dem Ende von 4 aus der Geschichte, ohne daß es jemanden, z. B. ihre Mutter, zu stören scheint.)

Das Germanenbild entspricht dem älterer Werke; schon im einleitenden Absatz ist die Rede davon, daß "die Wohngebiete der von Gaukönigen und Herzögen geführten germanischen Stämme" sich bis "weit in das Innere des heutigen Rußlands hinein" erstreckten, was bei einem elf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen Werk einen etwas unguten Eindruck macht. Auch später werden die germanischen Tugenden "Treue" und "Tapferkeit" in konventioneller Weise hervorgehoben.

Ebenso erscheinen die Römer und ihre Grenzpolitik am Limes in ähnlicher Weise wie bei den Werken wilhelminischer Zeit, in denen sich auch die Sicht der Saalburg als der "wichtigste{n} Festung des Römischen Reiches" vorgebildet findet (12). Die Gestalt des Kaisers Alexander Severus ist über weite Strecken eher unhistorisch wiedergegeben, seine Verwandtschaft gleichermaßen; groteskerweise trägt eine Angehörige des severischen Kaiserhause den Namen der Frau Neros! Das Vorgehen des Kaisers gegen die syrischen Händler (2) erscheint recht unmotiviert.

Vor allem beim Militär treten wie von solchen Werken gewohnt anachronistische Termini wie "Oberst", "Feldhauptmann", "Polizist" und "Landwehrleute" auf, die es aber auch sonst gibt ("Tapetentür", der Fluch "Himmelkreuzbombenelement"). Soldaten stammen aus "Tirol" bzw. sind gar ein "Oberbayer" (4). In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, daß in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts noch nicht viele "Barbaren" Heerführer oder gar Kaiser geworden waren (5).

Einige weitere Faktenfehler seien kurz erwähnt: römische Städte oder Befestigungen waren nicht mit einem Wassergraben umgeben (7; die Bildbeischrift auf dieser Seite nennt fälschlich "Mainz" statt Nida, und die Zeichnung von Nida in der nächsten Fortsetzung ist bei weitem zu großstädtisch ausgefallen). Auch der Limes war kein "Grenzgraben" (13), ebensowenig wie eine tabula cerata eine "Tontafel" (8). Schwerter wurden kaum "an Ketten um den Hals" getragen (15), und die Erwähnung eines Galgens ist mißverständlich (15). Die Namensform "Catulles" ist seltsam (10).

Die Erzählung ist reich illustriert mit teilweise comicartigen Zeichnungen, die ihr Vorbild ebenfalls in den Abbildungen älterer Werke finden. Ferner werden einige nicht direkt mit der Handlung verbundene Sachinformationen in Zeichnungen gegeben, die nicht immer ganz korrekt sind (7: "clipeum").