Steven Saylor

Rubicon

New York : St. Martin’s, 1999; Taschenbuchausg. ebda., 2000.

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

Inhalt

Part I: »Minerva«

1. Zu Gordianus’ Entsetzen wird in seinem Garten ein Besucher, Numerius Pompeius, ermordet aufgefunden.

2. Zusammen mit seiner Tochter Diana entziffert Gordianus ein verschlüsseltes Schreiben, das er im Schuh des Toten versteckt gefunden hat. Es ist ein kurzer Bericht über Gordianus’ Leben und Familie samt einer Einschätzung seiner Loyalitäten im drohenden Konflikt zwischen Pompeius und Caesar.

3. Überraschend erscheint Pompeius Magnus selbst und stößt auf die Leiche seines Verwandten Numerius. Er befiehlt Gordianus, den Mörder zu finden; als Unterpfand für Gordianus’ Wohlverhalten rekrutiert er dessen Schwiegersohn Davus für seine Legionen.

4. Gordianus sucht seinen Nachbarn Cicero auf, wo Numerius vorher gewesen war. Der Redner ist aufgefordert worden, mit Pompeius die Stadt zu verlassen, nachdem Caesar den Rubicon überschritten hat und auf Rom vorrückt, doch Cicero fürchtet, daß im kommenden Bürgerkrieg keine Seite die richtige sein wird. Von den Torwachen erfährt Gordianus noch, daß es zwischen Numerius und Cicero einen Streit gegeben hat. Außerdem glaubt er, den angeblich krank in Patrae zurückgelassenen Vertrauten Ciceros, Tiro, gesehen zu haben.

5. Am nächsten Morgen wird Gordianus von Maecia, der Mutter des Toten, zu sich gebeten. Sie will vor allem die genauen Umstände von Numerius’ Tod wissen, verrät aber auch, daß ihr Sohn über eine geheime Goldkiste verfügte; sie vermutet, daß er als Spion tätig war.

6. Auf dem Rückweg glaubt Gordianus noch einmal, Tiro zu sehen. Das Angebot seines Sohnes Eco, ihm bei der Suche nach dem Mörder von Numerius zu helfen, lehnt er ab.

7. Während Rom gespannt die Ankunft Caesars oder den Ausbruch der Kämpfe zwischen ihm und Pompeius erwartet, stellt Gordianus seine Nachforschungen an und erfährt, daß Numerius sich kurz vor seinem Tod mit einem Philosophen namens Soscarides getroffen hat. Schließlich gelingt es ihm, Tiro zu stellen. Ciceros Sekretär hält sich tatsächlich heimlich in Rom auf.

8. Wie Tiro Gordianus erzählt, ist er seit einiger Zeit in Verkleidung als »Soscarides« unterwegs, um für Cicero Informationen zu sammeln. Ciceros Briefwechsel mit dem angeblich in Patrae krank Darniederliegenden enthält verschlüsselte Nachrichten. Cicero war es auch, der den Bericht über Gordianus verfaßt hat. Tiro berichtet, daß Numerius bei dem Treffen mit »Soscarides« behauptet hat, Informationen über einen angeblich geplanten Anschlag auf Caesar zu haben.

9. Während Caesar im Bürgerkrieg erste Erfolge hat, erhält Gordianus den Besuch einer jungen Dame, Aemilia, der heimlichen Verlobten von Numerius; sie erwartet ein Kind von ihm (das sie jetzt aber abtreiben will) und erzählt Gordianus von ihrem »Liebesnest«.

10. Am nächsten Tag sucht Gordianus zusammen mit den ehemaligen Sklavenjungen Mopsus und Androcles den Treffpunkt von Numerius und Aemilia auf. Bei der Suche nach dort eventuell versteckten Dokumenten überrascht ihn Tiro.

11. Ciceros Sekretär/Agent hilft bei der Suche und fordert Gordianus auf, mit ihm nach Brundisium zu reisen, wo sich Pompeius gegen die vorrückenden Truppen Caesars verschanzt.

Part II: »Mars«

12. Gordianus, Tiro und der Leibwächter Fortex beginnen ihre Reise auf der Via Appia. Am neuen Grabmal des Numerius Pompeius werden sie von Banditen überfallen, können aber entkommen und erreichen Formiae, wo sich Cicero in eine seiner Villen zurückgezogen hat.

13. Am nächsten Tag erscheint auch Domitius Ahenobarbus in Ciceros Villa, der von Caesar gefangengenommen, aber wieder freigelassen wurde. Er will trotzdem versuchen, Caesar die gallische Provinz abzunehmen, während Cicero darüber klagt, seinen Triumph und die Feier der Männertoga seines Sohns nicht in Rom begehen zu können.

14. Gordianus und Tiro setzen ihre Reise nach Brundisium fort. Auf einer Abkürzung stoßen sie auf römische Truppen, ehemals unter dem Kommando des Domitius, doch jetzt zu Caesar übergelaufen. Gordianus erklärt, daß er seinen Sohn Meto im Stab Caesars besuchen will, doch der Wagenlenker verrät, daß sie einen Paß des Pompeius mit sich führen; Tiro hat das Dokument zwar zu verstecken versucht, doch die Soldaten finden es.

15. Die Soldaten führen Gordianus und seine Begleiter als Spione ab, einem ungewissen Schicksal entgegen, bis Marcus Antonius, ein hoher Offizier Caesars, Gordianus identifiziert und befreit, um ihn nach Brundisium zu Caesar zu bringen.

16. Antonius und Gordianus erreichen Brundisium, wo Pompeius von den Truppen Caesars belagert wird. Auf Befehl Caesars hat der Ingenieur Vitruvius versucht, die Hafeneinfahrt mit befestigten Flößen zu verschließen, doch die aus Dyrrachium kommende Flotte des Pompeius kann in einem bis zur Nacht dauernden Gefecht in den Hafen durchbrechen.

17. Antonius bringt Gordianus (und Tiro, der sich als Sklave ausgibt) am nächsten Morgen zu Caesar.

18. Gordianus trifft Meto, kann aber kaum mit ihm sprechen, bevor Antonius und Caesar hinzutreten. Der Feldherr erkennt Gordianus wieder und erzählt von seinen Angriffsplänen.

19. Mit einem Fischerboot versuchen Tiro und Gordianus, in das belagerte Brundisium zu gelangen. Kurz vor dem Ziel wird Fortex, der das Boot gerudert hat, von einem Pfeil tödlich getroffen.

20. Tiro wird zu Pompeius gebracht, während Gordianus warten muß. Der Feldherr hält eine Ansprache an seine Soldaten und erläutert den Plan zum Ausbruch. Erst danach will er Gordianus’ Bericht anhören.

21. Auf dem Weg zum Hafen trifft Gordianus seinen Schwiegersohn wieder. Davus soll auf Pompeius’ Befehl einige Jungen hinrichten, die eine Abwehrmaßnahme sabotiert haben, doch Gordianus kann dies verhindern und erreicht, daß Davus in Brundisium zurückgelassen wird, während Gordianus mit Pompeius auf dessen Schiff geht.

22. Die Flotte des Pompeius muß sich den Weg aus dem Hafen freikämpfen. Pompeius beschuldigt Gordianus, ein Spion Caesars zu sein, und fordert ihn auf, seine Erkenntnisse über den Mord an Numerius darzulegen. Gordianus gesteht, daß er selbst den Mord begangen hat, nachdem Numerius ihn erpressen wollte (er besaß Dokumente, die Metos Beteiligung an einer Verschwörung gegen Caesar bewiesen). Pompeius ist rasend vor Wut, doch bevor er Gordianus töten kann, rettet dieser sich durch einen Sprung ins Wasser.

Part III: »Dionysus«

23. Der verletzte Gordianus wird von Davus gerettet, und die beiden reisen nach Rom zurück, wohin auch Caesar und in seiner Begleitung Meto gegangen ist. Nach der Rückkehr bittet Gordianus seinen Sohn um ein Treffen.

24. In der Taverne, in der sich früher Numerius mit »Soscarides« getroffen hat, berichtet Gordianus Meto von den Geschehnissen. Meto bestreitet nicht, in eine Verschwörung verwickelt zu sein, verweigert aber jede weitere Auskunft und geht. Gordianus entdeckt in einer Bank der Taverne die gesuchten weiteren belastenden Dokumente und vernichtet sie. Als er Meto davon erzählen will, erfährt er, daß sein Sohn geflohen ist, angeblich zu Domitius Ahenobarbus nach Massilia.

25. Gordianus erhält eine geheime Botschaft von Meto aus Massilia, der erklärt, daß die Verschwörung gegen Caesar nur vorgetäuscht war, um Pompeius in die Irre zu führen, was trotz Numerius’ eigennützigem Erpressungsversuch durch Gordianus’ Geständnis gelungen ist. Meto ist weiterhin als Agent für Caesar tätig. Gordianus macht einen Besuch bei Maecia, wo er auch Aemilia trifft. Die beiden Frauen haben beschlossen, sie als Numerius’ heimliche Ehefrau auszugeben, und Aemilia hat das Kind behalten.

Bewertung

Ein Kriminalroman, in dem der Detektiv und Ich-Erzähler zugleich der Mörder ist, stellt den Autor vor ethische und erzähltechnische Probleme; es gibt aber bekannte Beispiele für diesen besonderen Plot, und Saylors Gordianus spielt durchaus fair und belügt weder seine Gesprächspartner noch die Leser. Er streitet schon vor seinem Geständnis gegenüber Pompeius nie ab, der Mörder des Numerius zu sein, er wird freilich auch kein einziges Mal direkt danach gefragt, was nur bei genauer oder wiederholter Lektüre auffällt. Alle Gesprächspartner scheinen davon auszugehen, daß Gordianus auf keinen Fall der Täter sein kann; so erkundigt sich ganz am Schluß des Romans Maecia nicht etwa nach dem Mörder, sondern nach dem Motiv, und Gordianus muß sie nicht anlügen. Als Tiro nach weiteren Dokumenten über die angebliche Verschwörung fragt, die Numerius bei sich hatte, kann Gordianus wahrheitsgemäß antworten: »That was all I found in Numerius’ shoe« (S. 96), denn das Meto belastende Schreiben hatte ihm Numerius ja schon vorher gegeben! Ebensowenig sagt Gordianus, was Numerius eigentlich von ihm wollte; auf zwei direkte Fragen des Pompeius antwortet er ausweichend (S. 30). Der Streit, den Numerius mit Cicero hatte (S. 47–48), ist ein wenig eine falsche Fährte (war etwa auch hier Erpressung im Spiel?), aber ansonsten sind durchaus einige clues auf die richtige Lösung vorhanden. (Unklar ist mir aber, warum Gordianus gemeinsam mit Diana die Dokumente aus Numerius’ Schuh entziffert, obwohl er befürchten müßte, auf weiteres belastendes Material gegen Meto zu stoßen.)

Für einen sehr aufmerksamen Leser ist die Krimihandlung daher durchaus durchschaubar, aber hier wie schon in den früheren Bänden der Reihe wird sie von Saylor eigentlich nur als Mittel zum Zweck angesehen. Der Untertitel auf dem Umschlag lautet bezeichnenderweise auch »a novel of ancient Rome«, nicht mehr »a mystery ...« wie bei der Taschenbuchausgabe des vorhergehenden Bandes. Noch wichtiger als die Schilderung einer historischen Epoche ist Saylor hier wohl auch das ethische Dilemma, in das Gordianus geraten ist und das keineswegs nur in der römischen Zeit vorkommen könnte; zu allen Zeiten waren Menschen gezwungen, zur Verhütung von Schlimmerem von bisherigen moralischen Grundsätzen abzugehen, und man kann sich glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der die meisten Menschen nicht mehr vor solchen existentiellen Fragen stehen. Saylor selbst ist sich in dieser Frage freilich nicht so sicher (vgl. den Essay »Steven Saylor’s Rome«, der anläßlich des Erscheinens von Rubicon auf der Website von amazon.com veröffentlicht wurde). Er sieht beunruhigende Parallelen zwischen der Machtpolitik in römischer Zeit und Entwicklungen in den USA unserer Tage (noch vor dem 11. September 2001, zur Zeit der Clinton-Administration, wohlgemerkt), und fragt sich: »Is America headed the way of Rome?«, denn »politicians every bit as scheming and unscrupulous as any who ever scandalized the Roman Senate« bereiteten ihm mitunter schlaflose Nächte.

Trotz dieser Betonung allgemeingültiger und aktueller Aspekte durch den Autor selbst soll abschließend auch bei diesem Roman die historische Substanz von Saylors Schilderung untersucht werden. Ihm standen, wie er auch im Nachwort beschreibt, für diese Phase des beginnenden Bürgerkriegs zahlreiche, teilweise zeitgenössische Quellen zur Verfügung, von denen besonders Ciceros Briefe einen unmittelbaren Eindruck der lange Zeit undurchsichtigen Situation vermitteln. Saylor hat dieses Material gut zu nutzen verstanden, auch wenn er sich mit einem Kunstgriff in einem Punkt über die Tatsachen hinwegsetzt, aus dem krank darniederliegenden Tiro Ciceros durchtriebenen Geheimagenten macht und einige der menschlich anrührendsten Zeugnisse des römischen Redners damit entwertet. Aber sie hätten ohnehin nicht in sein revisionistisches Cicerobild gepaßt. das aus einem teilweise illusionistischen Zauderer, der sich aber fast immer seiner prekären Stellung bewußt war, wenn er auch seine tatsächlichen Möglichkeiten oft überschätzte, einen proto-machiavellistischen Machtpolitiker und Ränkeschmied macht, der zur Erreichung seiner Ziele unbekümmert über Leichen geht (siehe auch zu Murder on the Appian Way). Daß Cicero durch seine umfangreiche literarische Hinterlassenschaft einfach angreifbarer ist als die meisten Zeitgenossen, von denen wir nur indirekte Zeugnisse besitzen, hat Saylor ebenso ignoriert wie frühere Kritiker des Arpinaten (Mommsen!). Gordianus kritisiert Cicero wegen seiner lange schwankenden Haltung im Bürgerkrieg (z. B. S. 128: »the worst sort of coward«), vermeidet es aber selbst, sich für eine Seite zu entscheiden. Daß Cicero in seiner herausgehobenen Stellung diese Art von Neutralität auf Dauer nicht möglich war, will Gordianus offenbar nicht einsehen (Tiro deutet es allerdings an). Übrigens hat sich Cicero Anfang 49 nicht in der Stadt Rom aufgehalten, weil er als gewesener Proconsul von Bithynien immer noch Ambitionen auf einen Triumph hatte und die urbs vorher nicht betreten durfte.

Ansonsten gibt Saylor ein überzeugendes Bild einer unsicheren Zeit, auch in den Einzelheiten. Lediglich ein paar Dinge fallen auf, so einige wenige sprachliche Anachronismen wie das Kommando »fire« (S. 217) oder der Ausdruck »braggadocio« (S. 275). Irritierend ist auch, daß in den Kapitelüberschriften neben den römischen Götternamen »Minerva« und »Mars« das griechische »Dionysus« steht. Bronzestatuen waren in der Antike (im Gegensatz zu solchen aus Stein) nicht großflächig bemalt (S. 32), sondern nur farbig verziert. Auch in diesem Band gibt es eine Ungenauigkeit, die eigentlich schon bei allen früheren hätte vermerkt werden können: Ein »citizen’s ring« als Statusabzeichen eines römischen Bürgers ist unbekannt (vielleicht liegt eine Verwechslung mit dem Ritterring vor).

Die Sklaverei stellt wie in allen Werken Saylors ein wichtiges Nebenthema dar, veranschaulicht an scheinbaren Nebengestalten wie dem Wagenlenker oder Fortex, an deren Schicksal nur Gordianus Anteil nimmt (der allerdings auch noch persönlichere Gründe hat, weiteres Blutvergießen zu vermeiden).

Saylor hat in diesem Band seine ›Meistererzählung‹ des Untergangs der römischen Republik in konsequenter Weise fortgesetzt und verdient auch wegen des großen Erfolgs, den seine Romane in vielen Ländern haben, die Aufmerksamkeit der professionellen Althistoriker, die erst ganz allmählich damit beginnen, sich auch mit populären Darstellungen der alten Welt und ihrem Einfluß auf Geschichtswissen und -verständnis zu beschäftigen.

Weitere Meinungen

Emily Melton, Booklist, 15. April 1999, zitiert bei www.amazon.com:

»The depth and realism of detail and ambiance, the superbly crafted plot, the sense of excitement and adventure, and the way Saylor makes ancient Rome--its people, politics, customs, sights, and sounds--come alive add up to a gripping read that’s as intense as it is satisfying.«

Kirkus reviews, 12. April 1999, zitiert bei www.amazon.com und www.bn.com:

»Once again, Saylor [...] resourcefully uses a single crime to focus the story of a civilization gone mad.«

Jane Baird, Library journal, zitiert bei www.bn.com:

»This novel is an excellent blending of mystery and history.«

Harriet Klausner, u. a. bei www.amazon.com und www.bn.com:

»[...] provides readers with a believable look at the world’s greatest ancient power. Steven Saylor shows the desperate scramble to join the winning side as everyone understands that to the winners goes the spoils. [...] The secondary players, punctuated with real persona from Ancient Rome, turn the early Caesar era into a vivid display that alone hooks readers. The clever who-done-it is the final icing on what is a spectacular historical mystery.«