Kurt Pastenaci

Herzog Bojo

Berlin : Frundsberg, 1937; 3. Aufl. Berlin : Nordland, 1942

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

Der kimbrische Steuermann Bojo bringt mit seinem Schiff einen Gesandten der Rugier im Sturm über die Nordsee zur Elbemündung. Er sinnt über das Schicksal seines Volkes nach, vor allem, wo es neuen Lebensraum gewinnen kann. Bojo bekommt von einem Langobarden die Aufforderung, den Heiligen Frühling der Kimbern ins Land der Kelten zu führen, doch Bojo ist nicht sicher, ob ein Siedlungsland im Binnenland gut ist. Auf der Rückfahrt nimmt Bojo Schiffbrüchige auf, darunter einen griechischen Händler, der im Auftrag eines Römers mit den Teutonen Bernstein handeln wollte.

Bojo erkundet, teilweise incognito, die möglichen Zugwege für die Jugend der Kimbern. Er hört mehr von den Römern und besichtigt den dichten Festungsgürtel der Kelten.

Bei einem großen Stammesfest verlobt sich Bojo mit Teutlinde, der Schwester seines Freundes Teutobod. Bojo wird zum Herzog gewählt und erläutert dem greisen Stammesfürsten Hrolf seinen Plan, die Kelten im Osten zu umgehen. Die Vorbereitungen zum Auszug sind im Gange, als eine Sturmflut das Land der Kimbern bedroht. Bojo kann nicht verhindern, daß weite Landstriche überflutet werden.

Die landlos gewordenen Kimbern müssen nun ihre Heimat verlassen. Bojo führt sie mit dem Teutonen Teutobod und dem Ambronen Adil nach Süden, verschweigt aber sein wahres Ziel. An der Oder treffen die Germanen auf ein keltisches Heer, dem sie nach einem glücklichen Gefecht durch eine List ausweichen.

Im Land der Skordisker gehen die Germanen ins Winterquartier. Bojo läßt seine Leute weiter für den Kampf üben und heiratet endlich Teutlinde, nachdem er lange Zweifel hatte, ob er bei seiner Verantwortung für ein ganzes Volk eine Frau nehmen darf. Er geht nicht auf ein Angebot der Bastarnen und Skiren ein, ihnen und dem Pontuskönig Mithridates beizustehen, sondern läßt nach Westen gegen die Kelten ziehen.

Die Germanen ziehen durch das Drautal. Die dort wohnenden Kelten kämpfen aber bereits gegen einen anderen Gegner, die Römer. Bojo wird mit einer kleinen Schar Zeuge, wie eine römische Legion unter Aurelius Scaurus fast überwältigt wird, und greift mit seinen Leuten zugunsten der Römer in den Kampf ein. Doch später kommt es zu ergebnislosen Verhandlungen über den Durchzug mit dem Consul Papirius Carbo und schließlich zum Kampf, bei dem die Römer unterliegen.

Die Kimbern, Teutonen und Ambronen überwintern an der Donau, wo sie auch Schiffe bauen. Im Frühjahr ziehen die Germanen weiter durch den Herkynischen Wald und greifen die Helvetier am Main an. Es entbrennt ein erbitterter Kampf.

Im Winter tritt zunächst eine Pause ein, bis Teutobod in einem Überraschungsangriff eine keltische Burg einnimmt. Die Germanen erobern anschließend die Rheinebene und eine weitere Burg am Neckar. Im Sommer bestellen sie das neugewonnene Land. Bojo schließt Frieden mit dem Helvetierfürsten Diviko.

Man erwartet allgemein, daß das Thing über den Friedensschluß beraten soll. Doch Bojo hat weitere Pläne. Er tritt das Land nördlich des Mains nach vorheriger Vereinbarung an die Irminonen ab und will südlich des Mains einen Teil seiner Leute ansiedeln, doch mit dem Rest des Volkes weiterziehen. Die zum vorberatenden Thing versammelten Sippenältesten sind zunächst unzufrieden, weil Bojo sich nicht an die alten Sitten hält, doch dann erkennen sie seine Führerstellung an.

Die Germanen setzen über den Rhein und ziehen durch Gallien. Dort tritt ihnen der römische Konsul Iunius Silanus entgegen, der mit seinen vier Legionen vernichtend geschlagen wird. Auf Vorschlag des Statthalters der römischen Provinz reist Bojo mit einigen seiner Leuten als Gesandter nach Rom. Weder das Kriegsschiff, auf dem sie befördert werden, noch die Stadt selbst machen auf die Germanen sonderlich Eindruck. Bojo erkennt, daß die Römer kein Volk sind, sondern aus vielerlei Elementen gemischt. Die Verhandlungen mit dem Senat verlaufen ergebnislos, und die germanische Gesandtschaft kehrt zu ihrem Heer zurück. Bojo erklärt seinen Leuten, daß der Kampf mit Rom unausweichlich ist, wenn die Germanen sich in Gallien behaupten wollen.

Gemäß Vereinbarung ziehen die Helvetier unter Diviko zur Unterstützung der Germanen nach Gallien. Die dortigen keltischen Völkerschaften müssen sich auf ihre festen Städte zurückziehen. Diviko schlägt ein römisches Heer unter dem Konsul Cassius Longinus. Während im Süden Diviko als Führer anerkannt wird, zieht Bojo mit seinen Kimbern und Teutonen ins nördliche Gallien, wo sie überwintern. Der neue Konsul Servilius Caepio drängt die Helvetier und ihre gallischen Verbündeten wieder zurück. Mit Hilfe des Ritters Rufus und des Juden Simonis erobert Caepio das reiche Tolosa. Er läßt den Tempelschatz wegschaffen, der dabei angeblich von Räubern weggenommen wird. Der gallische Aufstand gegen Rom droht niedergeschlagen zu werden, und die Druiden rufen Bojo zu Hilfe.

Bei den Römern ist der neue Konsul Mallius Maximus gekommen, doch der jetzige Prokonsul Servilius Caepio weigert sich, sein Heer dem Befehl eines Plebejers zu unterstellen. Der Konsular Aurelius Scaurus hat mit zwei Legionen einen vorgeschobenen Posten bezogen. Er wird von den Germanen überrascht und gefangengenommen. Die keltischen Druiden fordern seinen Tod als Vergeltung für die Beraubung von Tolosa, doch Bojo gibt dem Mann, mit dem er einst in Norikum Freundschaft geschlossen hat, die Chance zum Zweikampf. Scaurus könnte fliehen, doch seine Ehre zwingt ihn dazu, sich dem Holmgang mit Bojo zu stellen. Der Germane bleibt Sieger; Scaurus wird mit allen Ehren bestattet.

Caepio und Mallius haben ihre Heere immer noch nicht vereinigt. Bei Arausio werden sie von den Germanen und den Helvetiern vernichtend geschlagen; nur die Feldherren und ein paar Mann entkommen vom Schlachtfeld. Trotz des gewaltigen Sieges entscheidet sich Bojo, nicht nach Italien vorzustoßen, weil er weiß, daß er dabei nicht siegreich bleiben könnte. In Rom wird Marius, der Sieger über Jugurtha, zum Konsul und Feldherrn gegen die Germanen gewählt. Er beginnt sofort damit, ein neues Heer aufzustellen.

Bojo zieht mit seinen Leuten zunächst nach Spanien, doch dann kehren sie nach Gallien zurück, wo sie im Land der Belger übernachten. Den Führern der germanischen Stämme in der Heimat erklärt Bojo seinen letzten Plan: Er will nach Italien ziehen, um die Macht der Römer herauszufordern und alle Germanen auf die künftige unvermeidliche Auseinandersetzung mit diesem Volk aufmerksam zu machen. Dafür müssen die Stämme sich trennen: Die Kimbern sollen die Alpen überqueren, die Teutonen und Ambronen den Weg über Südgallien nehmen, wo Marius mit seinen Legionen liegt. Dieser schickt seinen Mitkonsul Catulus zum Schutz der Alpenpässe aus, als er Bojos Plan erkennt.

In Gallien treffen die Ambronen und Teutonen auf das Heer des Marius. Um den Anmarsch der Teutonen zu decken, opfern sich die Ambronen in einem Todesgang bis auf wenige Männer. Marius schlägt schließlich auch die Teutonen; ihr Herzog Teutobod wird durch Verrat der gallischen Verbündeten gefangengenommen.

Bojo mit seinen Kimbern gelingt die Überschreitung der Alpen; das römische Heer und Catulus und seinem Legaten Sulla, das sie aufhalten sollte, können sie umgehen und in die Flucht schlagen. Die Germanen werden Herren von Oberitalien bis zum Po. Doch erfahren sie von der Niederlage der Teutonen und Ambronen und vom Heranzug des siegreichen Marius. Bojo beschließt, mit seinem Volk in den Tod zu gehen, und die Kimbern folgen ihm. Bei Vercellae treffen sie auf das vereinigte Heer von Marius und Catulus. Fast alle Germanen fallen im Kampf, Bojo an ihrer Spitze.

Bewertung

Der Roman wird geprägt von einer überdeutlichen nationalsozialistischen Tendenz, die ihn, ohne jeden Anspruch auf Darstellung historischer Verhältnisse, als reines Propagandamachwerk herausstellt.

Der Rassegedanken wird dabei quasi schon vorausgesetzt, wenn nebenbei von "nordischer Art" der Kimbern die Rede ist (S. 101). Immer wieder wird betont, daß die Römer (ganz im Gegensatz zu den Germanen) mit ihrem Völkergemisch kein wahres Volk seien, auch wenn es einige unter ihnen gebe, "die noch echtes, nordisches Blut in ihren Adern haben" wie Marius oder die Iulier (S. 211). Ohne daß es dafür in der historischen Überlieferung einen Anhaltspunkt gibt, muß ein Jude an der Einnahme Tolosas durch Verrat mitwirken, um das schädliche Wirken dieses Volkes zu dokumentieren.

Die mit der Rasse zusammenhängende Blut-und-Boden-Ideologie wird ausführlich dargestellt. Es ist müßig, hier alle einschlägigen Passagen zusammenzustellen. Kernsätze wie: "Das Volk braucht Land, neuen Acker für den Pflug, neue Weide für die Herden" (S. 19) oder "Er [Bojo] will, daß gutes, altes und echtes Bauernblut seine Wurzeln in die heilige Erde am Rhein schlage" (S. 190) machen die Tendenz deutlich. Auch die nationalsozialistische Forderung nach neuem Lebensraum im Osten findet sich (S. 40). Zu diesem Zweck werden kriegerische Tugenden in breiter Weise verherrlicht: "Nur Land, das dem Feind abgerungen wurde, bringt dem Volke Gewinn" (S. 20).

Die Gestalt Bojos findet eine geradezu aberwitzige Überhöhung und präfiguriert Adolf Hitler auf so deutliche Weise, daß man fast eine ausdrückliche Erwähnung erwartet. Immer wieder wird Bojo als "Führer" bezeichnet; ein ganzes Kapitel ist so benannt, und hier findet sich in einer Rede Bojos an die zögernden Sippenältesten wohl die Kernaussage des ganzen Buches:

"Was gilt euch mehr, die Form oder der Geist? Wollt ihr einen, der abwartet, was und wie ihr beschließt, oder den Führer? Wollt ihr euer kleines Sein oder strebt ihr zum Hochziel? Wißt ihr nicht, daß Besitz und Sippen sterben, aber die wackere Tat bleibt und das Volk? Wollt ihr die Gegenwart oder die Zukunft? ... Alte Sitte ist gut, wenn sie der Zukunft dient, aber falsch, wenn sie nur das Vergangene wahrt. Recht wurzelt in Art und Blut und ändert seine Formen. Es wird eine neue Zeit, die Wende ist da. Jetzt kann nicht jeder mitentscheiden. Der Führer allein trägt Ziel und Zukunft." (S. 188-189).

Die Sätze könnten wörtlich aus einer Rede von Hitler oder Goebbels stammen. Weitere Stellen ließen sich dem an die Seite stellen ("Führer ist, wer das Ziel kennt und die Wege weiß", S. 19). Es fehlt eigentlich nur das direkte Zitat "Du bist nichts, dein Volk ist alles" oder auch "Sie starben, damit Deutschland lebe". Sogar im eher Privaten wird Bojo an Hitler angeglichen, wenn er sich nur zögernd zur Heirat entschließt: "Bojo ringt mit sich selbst. Hat er ein Recht, um diese Frau zu werben? Hat er nicht höhere Pflichten seinen Männern und den Sippen gegenüber? Darf er seiner Liebe Raum gewähren? Muß er nicht hart sein, um das Schwert zu zwingen, das vor ihm und den Wandernden steht?" (S. 101). Wie es einer deutschen Frau geziemte, gebärt Teutlinde, die Bojo dann doch heiratet, ihm im Lauf des Zuges immerhin fünf Kinder.

Daß ein solcher Führergedanke bei den Germanen ebenso unhistorisch ist wie vieles weitere, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Der "Dienst am Großvolk der Germanen" (S. 80; vgl. auch S. 290), den Bojo mit dem Zug und Untergang seines Volkes erbringen will, gehört in diesen Zusammenhang. Zum Schluß sendet Bojo seine Erfahrungen an die zurückgebliebenen Führer der Germanen, die nach seinen Vorschlägen Jahrhunderte später auf Völkerwanderung gehen ...

Die Darstellung Roms und der Römer ist sehr konventionell. Die zahlreichen Druckfehler vor allem bei römischen Eigennamen zeigen deutlich, daß es Autor und Verlag nicht auf kleinliche historische Einzelheiten ankam.

Das Buch ist ein besonders schlimmes Beispiel für den Mißbrauch von Geschichte für politisch-ideologische Ziele (man vergleiche auch die unten wiedergegebene zeitgenössische Rezension). Er ist als genuin nationalsozialistischer Roman zu charakterisieren.

Weitere Meinungen

W. Petersen, Rezension in: Odal, Bd. 7, Heft 2 (1938), S. 649:

"Es gibt nur wenige Romane mit ur- und frühgeschichtlichem Inhalt, die es verdienen, gelesen zu werden. Entweder werden die geschichtlichen Begebenheiten und das 'Milieu' verkehrt oder entstellt gezeichnet oder aber die künstlerische Begabung des Darstellers reicht nicht aus, einen wirklich lesbaren Roman zu gestalten. Beide Mängel treffen gottlob für den vorliegenden Roman Pastenacis nicht zu.

Ich muß gestehen, daß ich mit einigem Mißtrauen an die Lektüre des neuen Buches von Pastenaci herangegangen bin, um so mehr als der Verfasser bisher nur beschreibende Darstellungen aus den Gebiet der Ur- und Frühgeschichte verfaßt hatte. Nachdem ich aber einmal angefangen hatte den Herzog Bojo zu lesen, fesselte mich die Darstellung so sehr, daß ich sie sozusagen in einem Zuge zu Ende lesen mußte.

Der Roman behandelt den Auszug der Kimbern aus ihrer Heimat, und den ersten Kampf der Germanen mit der Weltmacht Rom. Treffend und in wissenschaftlich einwandfreier Weise sind die zu dieser Zeit herrschenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse dargestellt worden. Einen Höhepunkt bildet die Schlacht von Arausio, in der, ähnlich wie bei Cannae, die römischen Heere vernichtend geschlagen wurden. Meisterhaft schildert Pastenaci sodann den tragischen Untergang Bojos und seines Volkes, der, um die Treuepflicht seinem Blutsbrüdern gegenüber zu erfüllen, die letzte, von vornherein aussichtslose Schlacht annimmt.

Man kann ohne Übertreibung sagen, daß Pastenaci es verstanden hat, die von der Wissenschaft in peinlicher Arbeit gemachten Erkenntnisse mit warmem, pulsendem Leben zu erfüllen, und so unserem Volke nutzbar zu machen."