Joseph D. Nollé

Die Verschwörung des Piso : Bericht des Archivschreibers Quintus Postunius

Frankfurt am Main : Haag und Herchen, 1991

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Inhalt

Der Ich-Erzähler, ein Altphilologe, berichtet, wie er in Rom die Bekanntschaft des Amerikaners Caesar Bernard Fox gemacht hat, mit dem er sich oft über das alte Rom unterhielt. Nach einiger Zeit nimmt sich Fox überraschend das Leben und setzt den Erzähler als Erben ein. Bei einer Schweizer Bank hat Fox eine Verfügung hinterlassen, in der er berichtet, wie er im Jahr 1939 in einem verschütteten antiken Haus in Italien Reste einer Bibliothek aus römischer Zeit gefunden hat, nämlich einen bisher unbekannten Bericht des römischen Archivschreibers Postunius aus neronischer Zeit, der jetzt herausgegeben werden soll.

Fragment 1

Postunius berichtet vom Beginn der Herrschaft Neros, die geprägt war von Seneca und Agrippina, der Mutter der Kaiserin. In späteren Jahren entwickelte sich Neros Regierung immer mehr zur Schreckensherrschaft.

Fragment 2

Bei einer Gerichtsverhandlung des aufstrebenden Advokaten Bassus, die Postunius besucht, ist auch der übel beleumundete Senator Quintianus mit seinem neuen Lustknaben Glitius. Bassus erwähnt gegenüber Postunius eine Verschwörung gegen Nero. Postunius läßt sich über den Bau des römischen Staatsarchivs und den verheerenden Brand Roms aus.

2. Buch

Vom Gefängnisaufseher Aufidius erfährt Postunius, daß man die stadtbekannte Hetäre Epicharis im Zusammenhang mit einer mutmaßlichen Verschwörung festgenommen hat. Da sie beim Verhör offenbar standhaft geschwiegen hat, bleibt unklar, ob überhaupt etwas daran ist.

Haupt der Verschwörung ist C. Calpurnius Piso mit seinem Freundeskreis. Postunius gibt ein Gespräch wieder, das die Verschwörer nach Epicharis' Verhaftung bei Piso führen, um über ihre Lage zu beraten. Der Vorschlag, Nero in der von ihm oft aufgesuchten Villa Pisos zu ermorden, stößt bei Piso selbst auf Ablehnung.

Postunius wird vom bekannten Lebemann Petronius eingeladen. Dort trifft er eine Reihe von Dichtern, darunter Lucan und Hermogenes (Postunius selbst hat auch einige Gedichte veröffentlicht), die sich lang über die Dichtkunst, ihr Verhältnis zur Herrschaft Neros oder die Satiren des Persius unterhalten.

3. Buch

Zu den Gästen des Petronius gehört auch der Senator Scaevinus, der beim Weg nach Hause von einem Tierkadaver erschreckt wird, später von einem seltsamen Traum, in dem eine Göttin ihn beim Namen ruft und er einen Dolch findet.

Auf eine Nachricht des an der Verschwörung beteiligten Praetorianerpraefecten Faenus Rufus hin verläßt Seneca seine Villa in Cumae und reist nach Rom. Der Praetorianertribun Subrius Flavus, ebenfalls einer der Verschwörer, schreibt an Seneca und macht ihm durch seinen Schreiber Arius den Vorschlag, anstelle Pisos neuer Kaiser zu werden. Flavus streitet sich mit Rufus über den Fortgang der Verschwörung und die Person des neuen Kaisers. Seneca schreibt einen Brief an Flavus.

Auch Seneca und sein Bruder Mela streiten sich über den Sinn der Verschwörung und darüber, wer als neuer Kaiser geeignet sei. Bei einer Senatssitzung kommt es u. a. zu Auseinandersetzungen über die Politik gegenüber den Parthern. Postunius besucht einen Gladiatorenkampf. Am Vortag des geplanten Attentats treffen sich die Verschwörer Scaevinus und Natalis. Ein Freigelassener des Scaevinus fragt sich, was sein Patron mit seinen Vorbereitungen bezweckt. Natalis und Piso befürchten, daß nach geglücktem Anschlag die Offiziere nicht Piso, sondern Seneca zum Kaiser ausrufen wollen.

4. Buch

Nero kehrt nach Rom zurück.

Seneca unterhält sich mit seinem Freund Demetrius über eine mögliche Rückkehr in die Politik.

Der Freigelassene des Scaevinus berichtet dem Kaiser von der Verschwörung. Scaevinus und Natalis werden verhaftet, nach ihrem Geständnis noch weitere.

Bewertung

Das Buch ist über lange Strecken von einer geradezu einschläfernden Belanglosigkeit, so zum Beispiel das Gespräch der Dichter bei Petronius im 2. Buch. Der Verfasser wollte vermutlich seine nicht sehr aufregenden Erkenntnisse über römische Dichtung von sich geben. Wenn die Selbstcharakterisierung des Einleitungskapitels stimmt, wäre er Philologe, vielleicht Lehrer; das würde gut passen. Wie gut es freilich mit seinen Sprachkenntnissen bestellt ist, kann man kaum beurteilen; bezeichnenderweise zitiert er Cassius Dio auf Englisch, also wohl aus der Loeb-Übersetzung (160). Auch mit dem Englischen kennt er sich freilich nicht gut aus ("You don't mind take care of my books for a minute", 5).

Literarisch ist das Buch eine Zumutung. Die Personen bleiben farblos, die langen Abhandlungen über poetische oder philosophische Fragen wirken aufgesetzt und recht banal. Besonders mißraten sind die "Fragmente" des 4. Buches, wirres, zusammenhangloses Geschreibsel.

Nollé berührt viele Aspekte der Verschwörung nur am Rande; sein Hauptproblem, soweit man davon sprechen kann, ist die Frage, wie weit Seneca in die Verschwörung verstrickt war. Viele Einzelheiten über die Verschwörung oder das römische Leben generell sind nicht oder anders belegt, aber der Autor kann natürlich auf die Fiktion verweisen, daß sein Archivschreiber Postunius es besser weiß als unsere Quellen. Doch manchmal, wie bei seinen Tiraden gegen den angeblich literaturfeindlichen Kaiser Tiberius (71) geht er schon etwas weit. Auch eine "Partei der Optimaten" (249) ist völlig anachronistisch, und weitere Beispiele ließen sich anführen. So war Piso nicht zweimal Consul (90), und der Name "Postunius" ist nicht belegt, nur Postumius oder Postinius. Fast schon positiv mutet an, daß das Christentum nicht erwähnt ist, obwohl der Brand Roms mehrmals angesprochen wird.

Vereinzelte Satz- oder Korrekturfehler (z. B. mehrmals "daß" statt "das", außerdem die falsche Wortform "leihte" [180]) zeigen, daß es sich hier um eine Art Privatdruck handelt (der Verlag inseriert in der einschlägigen Rubrik der Zeit und publiziert sonst Dissertationen).

Wie man das Thema ansprechend gestalten kann und so, daß es wirklich zum Nachdenken anregt und nicht nur zum Aufstöhnen über das Geschwätz des Autors, hat vor Nollé bereits John Hersey mit The conspiracy gezeigt.