Wallace Nichols

Kurzgeschichten

Vorbemerkung

Wallace Nichols veröffentlichte zwischen 1950 und 1968 im London mystery magazine insgesamt 60 Kurzgeschichten über den Sklavendetektiv Sollius. Hier sind nur die Geschichten aufgeführt, über die ausführlichere Angaben verfügbar sind.

"The case of the empress's jewels" (1950)

Inhalt

[174 n. Chr.] Marc Aurel bittet den Senator Titius Sabinus, ihm seinen Sklaven Sollius zur Verfügung zu stellen, der große Erfahrung im Aufdecken von Verbrechen hat. Er soll für den Kaiser rätselhafte Diebstähle im Staatsschatz aufklären. Doch vorher will Marc Aurel Sollius auf die Probe stellen und läßt ihn nach den verschwundenen Juwelen der Kaiserin Faustina suchen. Sollius nimmt den Tatort, die Privatgemächer der Kaiserin, in Augenschein und will dann mit dem Praetorianer sprechen, der zum Zeitpunkt des Diebstahls auf Wache war. Doch dieser, ein gewisser Constans, ist am nächsten Tag verschwunden. Auch als Sollius mit Constans' Centurio die Schenke aufsucht, wo man den Praetorianer zuletzt gesehen hat, findet er keine neue Spur.

Am Abend entführt man Sollius und bringt ihn auf ein einsames Gehöft. Einer der Entführer ist der vermißte Constans. Er bedroht Sollius, schlägt ihn nieder und bringt ihn zum Haus des Sabinus zurück. Sollius hat jetzt die Lösung und sucht den Kaiser auf, dem er zunächst von den falschen Fährten berichtet, auf die ihn die widersprüchlichen Indizien gebracht haben. Dann sagt er Marc Aurel auf den Kopf zu, dieser könne den Fall aufklären, und der Kaiser gibt sich geschlagen. Er selbst hat die Juwelen seiner Frau versteckt, um Sollius zu testen, und dazu diente auch die vorgetäuschte Entführung. Nachdem Sollius seine Befähigung erwiesen hat, kann er an seine eigentliche Aufgabe gehen, die Diebstähle im Staatsschatz.

Bewertung

Von den römischen Krimis, die in den letzten Jahren erschienen sind, unterscheidet sich Nichols' Geschichte, eine der ersten dieses Genres, durch ihre Hauptfigur: kein junger Aristokrat wie bei Stöver oder Roberts, kein mitunter anachronistischer private eye wie die Detektive von Davis oder Saylor löst hier seinen ersten Fall, sondern ein älterer Sklave, dessen rechtlich-soziale Stellung ihm bei seinen Ermitlungen manchmal hinderlich sein dürfte, wie hier in der anfänglichen Widerspenstigkeit des Centurio zumindest angedeutet wird. Tatsächlich verfügten zahlreiche Sklaven, zumal jene im kaiserlichen Dienst, über ein großes Maß an Selbständigkeit, und so ist Sollius' Tätigkeit nicht allzu unwahrscheinlich. Auch die persönlichen Umgangsformen des Kaisers widersprechen nicht den Erkenntnissen der modernen Forschung. Als Krimi ist die Geschichte ganz annehmbar, wenn auch recht leicht durchschaubar.

Die Datierung dieser und der folgenden Geschichte auf das Jahr 174 n. Chr. stammt von Mike Ashley, The mammoth book of historical whodunnits (London: Robinson, 1993), S. 516. Commodus, der nicht persönlich auftritt, scheint freilich schon etwas älter zu sein als 13 (siehe die folgende Geschichte, die zeitlich unmittelbar anschließt), aber da Faustina noch am Leben ist, kann die Geschichte nicht erst in der zweiten Hälfte der 170er Jahre spielen.

"The treasury thefts" (1950)

Inhalt

[174 n. Chr.] Sollius besichtigt im Auftrag des Kaisers Marc Aurel die Schatzkammern unter dem Saturntempel, um herauszufinden, wer dort mehrere Diebstähle verübt hat. Der Fall scheint rätselhaft, weil es keinen Weg in die abgeschlossene Schatzkammer gibt. Sollius unterhält sich mit einem alten Saturnpriester, der zugibt, daß ein Geheimgang in das Untergeschoß des Tempels führt, aber nicht in die Schatzkammer. Zum Nachdenken in das Haus seines Herrn zurückgekehrt, muß Sollius dort vor Commodus erscheinen, der plötzlich zu Besuch gekommen ist. Der Kaisersohn versucht vergeblich herauszufinden, welchen Auftrag Sollius hat.

Am nächsten Abend wird Sollius mit seinem Leibwächter, dem Praetorianercenturio Decius, von einem riesigen Cappadocier aufgefordert, zum Saturntempel zu kommen. Auf verschlungenen Gängen führt man die beiden zum Zimmer des Priesters, den sein Neffen, der Gladiator Rutilius Marcianus, betäubt hat. Dieser bedroht Sollius, und Decius, der gegen den Cappadocier und einen weiteren Schläger vorgehen will, wird überwältigt. Sollius und Decius werden in das Untergeschoß des Tempels gebracht, wo ein Mann in einem Gladiatorenhelm wartet. Er verlangt von Sollius, ihm zu sagen, wie die Diebstähle seiner Meinung nach begangen wurden. Sollius zeigt, daß das Gitter am Eingang zur Schatzkammer angesägt ist und von zwei Leuten überwunden werden kann. Decius kann die beiden Schläger angreifen und die Tempelwache herbeirufen. Der Mann mit dem Gladiatorenhelm ist Commodus. Er behauptet, ein Komplott unter Leitung des Marcianus entdeckt zu haben. Sollius widerspricht ihm nicht, sondern sucht den Kaiser auf. Er erzählt Marc Aurel aber nicht die ganze Geschichte, zumal auch Commodus in den Palast zurückgekehrt ist und das Gespräch belauscht, sondern stützt Commodus' Version von der Alleinschuld des Marcianus, der inzwischen "auf der Flucht erstochen" wurde.

Bewertung

Der zweite Fall für Sollius ist die direkte Fortsetzung des ersten, bei dem Marcianus (ohne Namensnennung) bereits einen Auftritt hatte und der verschwenderische Commodus bereits erwähnt wurde. Als Krimi ist die Geschichte ordentlich, aber recht schnell zu durchschauen. Die historischen Einzelheiten sind annehmbar geschildert.