Fritz Namenhauer

Untergang : historischer Roman aus den letzten Tagen des alten Jerusalem

Halle (Saale) : Mühlmann, 1921

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Inhalt

Zum Laubhüttenfest des Jahres 59 sind auch der Hasmonäerkönig Agrippa II. sowie seine Schwestern Berenice und Drusilla nach Jerusalem gekommen. Nachts trifft der Priester Lemuel den Essener Manahem und läßt sich von ihm in die geheimen Mysterien dieser Sekte einweihen.

Im Haus des Hohepriesters Anania lebt auch seine junge Verwandte Persis, deren Sklavin Phoebe ihr gesteht, daß sie Christin geworden ist. Ananias' Sohn, der Tempelhauptmann Eleasar, sucht die Prinzessin Grapte, die Enkelin der Königin Helena von Adiabene auf; bei ihr ist auch Berenice. Es kommt zu einem Gespräch über das Christentum und seine Gefährlichkeit für den jüdischen Glauben.

Im Palast des Herodes veranstaltet der römische Procurator Felix ein Gastmahl mit seinen Offizieren. Sie unterhalten sich über die Juden und einen Zauberer namens Barjesus, der jetzt unter dem Namen Manahem bei den Essenern lebe; Felix befiehlt, ihn festnehmen zu lassen. Lemuel, jetzt Essener, bekommt von Manahem den Auftrag, sich bei den Christen einzuschleichen, um ihre Vernichtung vorzubereiten. Auf dem Weg nach Jerusalem belauscht er eine Gruppe von Sicariern unter Leitung des Ben Jair, die einen Anschlag auf Anania planen. Lemuel wird von ihnen gefangengenommen, kann sich aber befreien und eilt nach Jerusalem, um den Hohepriester zu warnen. Er kann den Mord nicht mehr verhindern und wird selbst als Täter festgenommen.

Lemuel wird zum Tode verurteilt. Während er im Kerker auf die Hinrichtung wartet, erhält er Besuch von seiner Jugendfreundin Phoebe, der Nichte des Gefängniswärters Jason. Manahem wird von Drusilla nach Jerusalem gerufen, um ihr krankes Kind zu heilen. Durch ihre Vermittlung besucht er Lemuel im Kerker, wird dann aber von den Leuten des Felix selbst festgenommen und nach Caesarea zum Procurator gebracht. Er kann diesen dazu bringen, das Todesurteil gegen Lemuel aufzuheben. Der befreite Lemuel besucht mit Phoebe und ihrer Mutter Chloe eine Versammlung der Jerusalemer Christengemeinde, auf der Paulus spricht, der Verfechter einer Trennung der Christen vom Judentum. In seiner Sommerresidenz in Caesarea Philippi ist Agrippa ungehalten über Nachrichten aus Jerusalem: die Priester wollen verhindern, daß er von seinem Palast aus Einblick in den Tempel nimmt, und ein ehemaliger Oberpriester wurde ermordet, beides wohl mit heimlicher Billigung des Felix. Berenice nimmt dem Priester Josephus, der als Gesandter des Rats nach Rom fahren will, das Versprechen ab, dort für Felix' Absetzung zu sorgen.

Eleasar und sein Freund Johannes von Gischala sprechen über die Möglichkeit eines Aufstandes gegen Rom, während Manahem und der neue Hohepriester Ismael zu harten Maßnahmen gegen die Christen raten. Jason verstößt Chloe und Phoebe aus seinem Haus, weil sie sich nicht mehr streng an die religiösen Gesetze halten. Die beiden Frauen finden Aufnahmen in der Christengemeinde, die sich wegen der befürchteten Verfolgung einen neuen Treffpunkt wählt. Lemuel ist im Zwiespalt, ob er ihn verraten soll, bis Manahem ihn dazu bringt, den Ort zu nennen.

Eleasar und Grapte erkunden das vor der Stadt gelegene Mausoleum der Königin Helena, um die Bestattung von Helenas Sohn vorzubereiten. Dabei stoßen sie auf ein unterirdisches Gangsystem, das bis zum Tempelberg führt. Eleasar gesteht Grapte seine Liebe. Beim Rückweg finden sie die Tür zum Mausoleum verschlossen vor, doch wird sie dann geöffnet, von den Christen, die sich heimlich im Mausoleum treffen. Eleasar schickt gegen den Willen Graptes Soldaten aus, um die Christen festzunehmen.

Manahem spricht mit Eleasar und Johannes von Gischala über eine Erhebung gegen Rom. Lemuel geht zu Manahem und kündigt ihm die Treue auf, weil er sich den Christen zugehörig fühlt. Manahem überredet ihn aber, weiter für ihn zu arbeiten, weil er vorgibt, die Christen im Dienst des höheren Ziels, des Kampfs gegen Rom, schonen zu wollen. Eleasar besucht die mit den Christen gefangene Persis im Kerker. Sie ist erschüttert, als sie erfährt, daß er es war, der die Christen verraten hat, vergibt ihm aber, wie es ihr Glaube gebietet.

Felix bestimmt die gefangenen Christen zum Tod in der Arena von Jerusalem und veranstaltet die Schauspiele gegen den Widerstand der Juden; protestierende Pharisäer läßt er festnehmen. Josephus kehrt aus Rom zurück und berichtet Agrippa und Berenice von seinen Erfolgen: zwar dürfen die Juden die Mauer am Tempel weiterbauen, doch Felix ist abgesetzt. Eleasar soll sofort die Hinrichtungen bei den Schauspielen verhindern, doch da entsteht ein Tumult in Jerusalem: Manahem hat sich zum Messias ausrufen lassen und stürmt mit seinen Anhängern zum Theater. Lemuel gelingt es, Phoebe und die anderen Christen zu retten, bevor Manahems Leute sich wieder zurückziehen müssen. Lemuel erlebt mit, wie Jakobus, der Führer der Christengemeinde Jerusalems, den Märtyrertod erleidet, und wird dann von einer Unbekannten aus der Stadt nach Caesarea gebracht.

Drusilla kündigt ihrer Schwester Berenice an, zusammen mit ihrem Mann Felix den Hasmonäerschatz im Tempel plündern zu wollen. Berenice fordert daraufhin den in sie verliebten Josephus auf, dagegen etwas zu unternehmen. Es kommt zu ersten Kämpfen zwischen Juden und Römern und dann zum richtigen Aufstand unter Führung von Eleasar und Johannes von Gischala, gegen den Widerstand Agrippas. Auch Manahem mit seinen Anhängern, Zeloten und Sicariern, schließt sich der Revolte an und will sich zum König machen lassen, doch kann dies Eleasar mit Hilfe von arabischen Kriegern verhindern. Manahem wird tödlich verwundet. Das Verschwinden Graptes beunruhigt Eleasar.

Die Römer unter Cestius greifen Jerusalem an, müssen sich aufgrund starker Gegenwehr aber wieder zurückziehen. Bei der Verfolgung gerät Eleasar verwundet in Gefangenschaft. Er wird von Christen befreit und nach Caesarea gebracht, wo Grapte in der Christengemeinde lebt.

Der neue römische Oberbefehlshaber Vespasian und sein Sohn Titus besuchen auf Einladung Agrippas die Sommerresidenz Caesarea Paneas. Berenice will die Römer zuerst nicht sehen, trifft aber zufällig auf Titus. Josephus, der die Verteidigung Galiläas befehligt, wird von den Römern gefangengenommen und prophezeit Vespasian die Kaiserherrschaft.

Titus eilt Berenice in Caesarea Paneas zu Hilfe, als sie von Raubscharen bedroht wird, und gesteht ihr seine Liebe; sie gibt ihm nach. Ein weiteres Paar findet sich in Jerusalem: Johannes von Gischala und Persis. In der Stadt entbrennt ein Bürgerkrieg zwischen den Zeloten und den Anhängern des ehemaligen Hohepriesters Ananus. Die Zeloten setzen sich mit Hilfe von Idumäern durch.

Die Christengemeinde, bei der Grapte und ihr Mann Eleasar, genesen, aber kampfunfähig, sind, zieht von Caesarea nach Gaza und will weiter in die Adiabene. Eleasar sucht als Pilger Jerusalem auf, um Persis in Sicherheit zu bringen; sie möchte aber Johannes von Gischala nicht verlassen. Zwischen diesem und den Zeloten des Simon bar Giora tobt ein heftiger Kampf, auch im heiligen Bereich des Tempels. Eleasar wird zeitweilig von seinen Widersachern gefangengenommen.

Als in Rom nach dem Tod Neros Bürgerkrieg ausbricht, will Vespasian sich zum Kaiser ausrufen lassen, braucht dazu aber die Unterstützung des Statthalters von Ägypten, Tiberius Alexander. Titus bringt Berenice dazu, diesen alten Freund ihres Hauses aufzusuchen.

Titus bestürmt Jerusalem und nimmt gegen harten Widerstand allmählich Teile der Stadt ein. Obwohl unter den Belagerten eine Hungersnot ausbricht, die zu grausigen Schandtaten führt, führen sie einen erbitterten Abwehrkampf, doch schließlich erobern die Römer die Festung Antonia und sind bereit zum Sturm auf den Tempel. Eleasar glaubt noch daran, daß Gott im letzten Moment sein Volk retten wird. Doch beim Sturmangriff geht der Tempel in Flammen auf. Schließlich ist die ganze Stadt in Händen der Römer. Eleasar und Persis können durch den unterirdischen Gang zum Mausoleum der Helena entfliehen; Simon bar Giora und Johannes von Gischala werden von den Römern gefangengenommen.

Neun Jahre später stirbt Kaiser Vespasian und wird in Rom beigesetzt. Berenice hofft darauf, an Titus' Seite Kaiserin zu werden, doch er trennt sich auf Wunsch des Senats von ihr. Verbittert kehrt sie in ihre Heimat zurück und besucht noch einmal die Ruine Jerusalems.

Bewertung

Der wohl wenig verbreitete Roman (er wird in keinem Verzeichnis historischer Romane erwähnt) schildert eine der bekanntesten Episoden der antiken Geschichte, den jüdischen Aufstand, der in der Vernichtung des Tempels von Jerusalem endete und die Diaspora des jüdischen Volkes einleitete. Allein in den achtzig Jahren vor Namenhauer wurde diese Zeit von wenigstens elf Autoren in Romanen oder Erzählungen dargestellt, und ähnlich viele sollten folgen (allerdings wurde zunehmend die Belagerung Masadas in den Mittelpunkt gerückt). Quellengrundlage war dabei in allen Fällen das Werk des Flavius Josephus, der meist zugleich eine der Romanfiguren ist, so auch hier. Als Hauptperson hat ihn wenige Jahre nach Namenhauer Lion Feuchtwanger in seinem dreibändigen Werk genommen, bei dem die ganz andere Art der Darstellung auffällt. Während Feuchtwanger es schafft, trotz einiger äußerer Modernisierungen ein durchaus plausibles Bild von Josephus und seiner Zeit zu zeichnen, erschöpft sich Namenhauer vor allem in ausgedehnteren antiquarischen Schilderungen, nicht unähnlich z. B. Wallace' Ben-Hur. Zunehmend treten dabei die Personen in den Hintergrund, vor allem, nachdem Manahem tot und von Lemuel keine Rede mehr ist. Es fällt dem Leser dabei schwer, das Interesse an der Geschichte aufrechtzuerhalten, zumal er in der Regel schon weiß, wie alles ausgeht (und der Autor läßt schon zu Beginn die Vorstellung vom "Untergang" in einer teilweise penetranten Weise anklingen).

Wohl unvermeidlicher Weise ist auch das frühe Christentum ein wichtiger Bestandteil des Romans. Die Attraktivität des christlichen Glaubens wird dabei quasi vorausgesetzt, und die zahlreichen Konversionen unter den Gestalten der Handlung werden so nicht näher begründet.