Hjalmar Kutzleb

Der erste Deutsche : Roman Hermann des Cheruskers

Braunschweig [u.a.] : Westermann, 1934

(Direkt zur Bewertung)

Inhalt

1. Der römische Oberbefehlshaber Tiberius plant einen Feldzug gegen Marbod, den König von Böhmen. Dabei soll als Gegenkönig der cheruskische Offizier Sigwulf/Flavus eingesetzt werden, dessen jüngerer Bruder Sigfrid/Arminius ebenfalls bei den Römern dient. Als die Truppen aus Birten abmarschieren, bricht auch der jüdische Händler Schalach ben Baruch nach Germanien auf. Er besucht den Hof der Brüder Sigast und Sigmar Linkhand auf dem Marsberg, die Verwandte von Sigwulf und Sigfrid sind. Schalach unterhält sich mit ihnen und Sigasts Tochter Durshilde über die Zeitläufte, bevor er heimlich an den Hof Marbods weiterreist. Dieser empfängt zugleich Gesandte der Illyrer, die er zum Aufstand gegen Rom ermutigt. Schalach wird einen Monat von Marbod festgehalten, bevor er zurückkehren kann. Der längs des Mains vorrückende Sentius Saturninus, bei dem sich Flavus befindet, erhält die Nachricht, daß der Feldzug wegen des Aufstands in Illyrien abgebrochen ist.

2. Arminius ist mit seiner Reiterabteilung zum Altar der Ubier versetzt worden, wo sein Vetter Sigmund, Sigasts Sohn, als Priester dient. Bei einem Gastmahl nach römischer Sitte fühlt er sich recht unbehaglich, vor allem nachdem er ein germanisches Siegessignal hört. Kurz danach kommen tatsächlich unheilvolle Gerüchte auf und dann verläßlichere Nachrichten vom Aufstand in Ungarn.

Der neue Statthalter Varus trifft ein und zeigt von Beginn an kein besonderes Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Germanen. Arminius geht auf einen mehrmonatigen Heimaturlaub. Seine Mutter Ingwild möchte ihn gern zu Hause behalten und rät ihm, sich zu verheiraten. Arminius muß nach einem Goding erleben, wie groß bei vielen die Unzufriedenheit mit der römischen Herrschaft ist. Er besucht seine Verwandten auf dem Marsberg und entscheidet sich nach einem Gespräch mit Sigmar, den Kampf gegen Rom aufzunehmen, solange noch Zeit ist. Deshalb muß er seine Vermählung mit Hilde, die beide heimlich wünschen, vorerst verschieben.

3. Mit dem jungen Adelbrecht als seinem Burschen kehrt Arminius an den Rhein zurück, wo Varus ihm eröffnet, daß er ihm das Kommando über die Reitereinheit nehmen will zugunsten einer anderen Aufgabe. Der Statthalter plant eine bessere Beherrschung der Germanen durch Überwinterung der Truppen im Lande und Anwendung des römischen Rechts. Als ein cheruskischer Bauer einen römischen Offizier erschlägt, der im Bannwald gejagt hat, muß Arminius ihn auf Varus' Befehl zum Prozeß holen. Er berichtet dem Bauern heimlich von seinem Aufstandsplan und kann ihn dazu bringen, sich der sicheren Verurteilung zu stellen; der Bauer nimmt sich vor seiner Hinrichtung mit Arminius' Gewandspange das Leben. Die römische Herrschaft zwischen Rhein und Weser festigt sich anscheinend, nicht zuletzt durch das Wirken des Arminius, der seinen Landsleuten aber heimlich seine Pläne mitteilt. Er kommt auch zum Marsberg, wo es Sigast sehr übelnimmt, daß er mit Billigung des Arminius als Gogreve abgesetzt ist.

Ein griechischer Händler verführt eine germanische Bäuerin zum Ehebruch und wird von den Dorfgenossen hingerichtet, die eine römische Abteilung abwehren und sich in die Wälder flüchten, wo sie Arminius mit seinem Onkel Ingomar, dem Gogreven, aufsucht und ihnen verspricht, daß er bald gegen die Römer losschlagen wird. Als ein Aufstand an der Ems gemeldet wird, befiehlt Varus, mit der ganzen Heeresmacht dorthin zu ziehen und die cheruskische Krieger aufzubieten, was Arminius sofort tut. Sigast, der von den Plänen seines Neffen einiges ahnt, versucht, ihn bei Varus als Verräter anzuzeigen, doch der Römer vertraut auf Arminius und läßt die Truppen abmarschieren. Arminius begibt sich zu seinen Leuten. Diese überfallen die arglosen Römer auf dem Marsch durch den Wald. Drei Tage zieht sich die Schlacht hin, in der die Römer immer mehr geschwächt werden; schließlich, nachdem viele Männer und Offiziere gefallen sind und die Reiterei geflohen, werden sie im Osning eingeschlossen und von den Germanen aufgerieben oder gefangengenommen; Varus läßt sich von seinem Burschen den Tod geben. Arminius und seine Leute veranstalten ein großes Siegesfest mit Opfer, Spielen und Festschmaus.

4. In Rom wird der greise Augustus mitten in den Siegesfeiern nach dem pannonischen Aufstand von der Nachricht schwer getroffen, daß die Germanen sich empört und die Truppen des Varus vernichtet haben. Tiberius geht an den Rhein, in Begleitung des jungen und ehrgeizigen Germanicus. Arminius rät seinen Kampfgefährten davon ab, über den Rhein zu setzen, und wirbt um Marbod als Bundesgenossen. Der verbitterte Sigast will Hilde mit dem Chatten Adgand verheiraten, doch kann Arminius sie vorher entführen und zu seiner Frau machen. Ihn drücken in der folgenden Zeit zunehmend Sorgen, weil die Germanen nach dem leichten Sieg über Rom wieder uneinig werden. Als Augustus stirbt, übernimmt Germanicus das Kommando am Rhein und greift überraschend die arglosen Marser an, unter denen er ein großes Gemetzel anrichtet. Im nächsten Frühjahr rückt der General Caecina an der Lippe entlang vor; Germanicus fällt in das Land der Chatten ein. Auf Rat Adgands schickt er Flavus mit zweihundert Mann zum Marsberg, um Sigast zum Übertritt auf die römische Seite zu bewegen. Sigast bleibt keine andere Wahl als sich zu fügen, ebensowenig wie der schwangeren Durshilde, die Arminius auf dem Marsberg in Sicherheit hatte bringen wollen. Arminius ist von der Nachricht von der Gefangennahme seiner Frau schwer getroffen. Die Germanen stellen sich Germanicus nicht zur Feldschlacht, und nachdem die Römer keinen entscheidenden Erfolg erzielen konnten, muß der Feldherr den Rückzug befehlen. Die Truppen marschieren auf getrennten Wegen zurück, Germanicus mit einer Hälfte des Heeres zu Schiff, wobei die Reiterei im ungewohnten Wattenmeer starke Verluste erleidet. Caecina zieht auf dem Landweg zum Rhein und wird von Arminius angegriffen. Nur mit großer Mühe rettet er sich nach Birten, wo Germanicus' Frau Agrippina gerade noch verhindert hat, daß die Rheinbrücke abgebrochen wurde. Arminius kehrt auf den zerstörten und wiederaufgebauten Wurmbrandhof zurück; seine Mutter mahnt ihn, weiter für die Freiheit zu kämpfen.

5. Im nächsten Jahr fällt Germanicus wieder in Germanien ein. Er gelangt bis zur Weser bei Minden. Auf dem rechten Flußufer erleidet die batavische Reiterei der Römer eine schwere Schlappe. An einem Flußarm treffen sich Arminius und der nach wie vor in römischen Diensten stehende Flavus. Die Brüder werfen sich gegenseitig Verrat vor und gehen im Streit auseinander. Es entbrennt eine große Schlacht, in der Arminius verwundet wird; die Germanen müssen sich geschlagen zurückziehen. Zu einer zweiten Schlacht kommt es an der Grenzwehr der Engern; obwohl die Römer auch hier siegreich bleiben, haben sie keine Entscheidung erreicht und müssen sich schließlich wieder zurückziehen. Die Germanen planen, sich unter Führung des Arminius enger zusammenzuschließen. Germanicus plant einen neuen Feldzug, doch wird er vom Kaiser abberufen.

[6.] Der Einfluß des Arminius in Germanien wächst weiter, doch manche sind unzufrieden, vor allem sein Onkel Ingomar. Es kommt zum Krieg zwischen Arminius und Marbod. Bei einer schweren Schlacht kämpft Ingomar mit einigen Cheruskern auf der Seite des Böhmenkönigs. Marbod muß sich geschlagen zurückziehen und schließlich sogar zu den Römern flüchten. Von einem Händler bekommt Arminius Nachricht von Durshilde; nach seiner Rückkehr vom Feldzug erfährt er, daß Sigmar von einem Hessen erschlagen wurde. Ingomar zieht auf den Marsberg, wo er zusammen mit Sigmund und dessen hessischer Sippschaft ein Zentrum der Unzufriedenheit wird. Sigmunds Frau Adgisa und ihr Bruder Adgand planen einen Anschlag auf Arminius und nehmen deshalb sogar Kontakt mit dem Kaiser Tiberius auf, der das Ansinnen aber zurückweist. Dennoch erhält Adgisa ein Fläschchen mit langsam wirkenden Gift, das sie Arminius reicht, als dieser den Wurmbrandhof besucht, um Sigmunds und Adgisas neugeborenen Knaben zu sehen. Nach außen hin haben er und seine Verwandten sich wieder versöhnt, doch der Händler Schalach überbringt Sigmund noch einmal eine Mahnung von seinem Vater, seiner Verpflichtung nachzukommen. Sigmund ist bestürzt, als er erfährt, daß seine Frau schon gehandelt hat. Zusammen mit Ingomar geleitet er Arminius bei dessen Abschied und wartet ungeduldig auf die Wirkung des Gifts. Als sie ausbleibt, ersticht er Arminius von hinten. Schalach findet später den Toten.

Bewertung

Der umfangreiche Roman modernisiert bei den Bezeichnungen und geographischen Namen (in der Inhaltsangabe ist dies hier größtenteils nicht wiedergegeben). Dabei gibt es kaum echte Anachronismen (freilich: "Priem"), und auch wenig Germanentümelei im eigentlichen Sinne; die Überlegenheit der Germanen wird dennoch stark herausgestellt, vor allem auch ihre Kulturhöhe.

Die Handlung bringt die üblichen Themen eines Arminius-Romans: der überraschende Sieg über Varus, Thusnelda, der Konflikt mit Segestes, die vergeblichen Feldzüge des Germanicus, der Mord durch einen Verwandten. Im großen und ganzen entspricht dies den antiken Quellen. Auffällig ist, daß einiges, was bei Tacitus breit ausgemalt wird, nur kurz geschildert ist (der Besuch des Germanicus auf dem Schlachtfeld, der Rückmarsch des Caecina), anderes ausgestaltet wird (Agrippina an der Rheinbrücke). Wie üblich, ist auch die Siegfriedsage benutzt, so bei der Ermordung des Helden und natürlich seinem Namen.

Das Bild des Juden Schalach ist sehr negativ, aber nicht auf eine primitive Stürmer-Weise; er jiddelt etwas, verwendet aber keine Rotwelsch-Ausdrücke. Deutlich wird dies durch eine dem Arminius in den Mund gelegte Bemerkung (141):

"Er ist ein Händler. ... Er begreift uns Bauern so wenig, wie wir ihn begreifen ... Er bedient uns, weil es sein Vorteil ist, aber es wäre schlimm, wenn er und was seines Geistes gleichen ist, einmal zum Herrn würde. Vielleicht wäre es gut, man rottete ihn und seine Art aus, ehe sie uns ausrotten."

Beim Lesen des Schlußsatzes stockt dem heutigen Leser das Blut in den Adern. So menschenverachtend und kennzeichnend für das geistige Klima, in dem der Holocaust möglich war, diese Passage auch ist, sollte man doch beachten, daß auch hier keine offen rassistischen Töne anklingen; Arminius spricht offensichtlich eher von "Krämernaturen" allgemein und bezeichnet Baruch hier nicht als Juden. Auf seine Religion wird ganz zum Schluß freilich noch einmal angespielt, wenn das jüdische Schweinefleischverbot erwähnt wird.

In die NS-Zeit gehört auch, wenn erwähnt wird, daß die Goten im Osten Lebensraum gewonnen haben. Schließlich faßt sogar Arminius selbst einen gänzlich unhistorischen Plan, Britannien zu erobern und von Germanen besiedeln zu lassen.

Die Genealogie der Arminiussippe, die auf dem Vorsatz dargelegt wird, ist von der im Text vorausgesetzten verschieden.

Das Werk kann als repräsentativer historischer Roman der NS-Zeit gelten, der besonders in der Verherrlichung von Führertum, Volkskraft, Blut und Boden sowie der Denunzierung "minderwertiger Rassen" die zeitgenössische Ideologie ohne erkennbare Einschränkungen aufgreift.