Alma Johanna Koenig

Der jugendliche Gott

Berlin [u. a.] : Zsolnay, 1947; Graz [u. a.] : Styria, 1980.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Der Roman unterscheidet sich von anderen Darstellungen dieser Zeit dadurch, daß er sich auf Neros Jugend und das berühmte Quinquennium konzentriert, das nach Meinung des späteren Kaisers Traian (der es freilich nicht selbst miterlebt hat) eine der glücklichsten Zeiten Roms gewesen sei. Es fehlen damit die bekanntesten Episoden aus Neros Regierung wie der Brand Roms, die Christenverfolgung oder die Pisonische Verschwörung (einiges davon ist durch die auftretenden Personen aber schon angedeutet; ein gewisses Vorwissen beim Leser wird vorausgesetzt).

Besonders interessant ist, wie vielschichtig sich die meisten der Personen darstellen, so z. B. Agrippina, deren positiver Wandel bei ihrer immer stärkeren Entfremdung von Nero zwar etwas überraschend kommt, aber im Kontext der Erzählung durchaus glaubhaft wirkt, so historisch unbelegt er auch ist. Auch Nero selbst wirkt alles andere als eindimensional. Besonders zum Schluß wird deutlich, wie er sein eigentliches Lebensziel, Künstler zu werden, unter dem Zwang der einmal in Gang gesetzten Entwicklung in anderer Form verwirklicht, nämlich indem er die Rolle des Kaisers spielt.

Viele Einzelheiten, Personen und Episoden sind aus den Quellen (also vor allem Tacitus und Sueton) übernommen, einiges hinzugefügt oder ausgestaltet. Sachliche Fehler, die es in gewissem Maße gibt, sollen hier nicht im einzelnen aufgeführt werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte, da die Autorin ohne Hilfsmittel und die Möglichkeit zur endgültigen Revision arbeiten mußte.[[1]] Einige Abweichungen können auch als dichterische Freiheit gelten, so die despektierliche Anrede "Domitia" des Britannicus für seinen Stiefbruder ("Domitius" bei Tac. ann. 12, 41, 3; "Ahenobarbus" bei Suet. Nero 7, 2).

Nur hinzuweisen ist auf eine gewisse Unsicherheit bei den militärischen Angelegenheiten, insbesondere der Chronologie des Partherkriegs. Auch war Agrippina schon gleich nach der Thronbesteigung des Claudius aus der Verbannung zurückgerufen worden, als ihr Sohn Domitius erst wenige Jahre alt war, nicht erst nach dem Tod Messalinas. Deren Mutter Domitia Lepida erlebte die Regierung Neros nicht mehr, sondern wurde vorher hingerichtet (Tac. ann. 12, 64-65); ihre Gestalt ist bei Koenig mit Neros anderer Tante Domitia vermengt, der Patronin des Paris (Tac. ann. 13, 19-21).

Literatur

Christine Walde: „Spurensuche - Alma Johanna Koenigs Nero in ihrem Roman Der jugendliche Gott von 1942/47.“ In: Neros Wirklichkeiten : Zur Rezeption einer umstrittenen Gestalt. Rahden : Leidorf, 2013.

Inhalt

1. Teil: "Der Knabe"

Der elfjährige Domitius lebt bei seiner Tante Lepida, während seine Mutter Agrippina von Kaiser Claudius verbannt ist. Er hängt sehr an einem von Lepidas Sklaven, dem Schauspieler Paris. Der mächtige kaiserliche Freigelassene Narcissus läßt Domitius holen, als Agrippina nach dem Tod der Kaisergattin Messalina zurückgerufen wird. Sie bestimmt den Philosophen Seneca zum Erzieher ihres Sohnes, der sich von Paris trennen und fortan im Palast leben muß.

2. Teil: "Der Jüngling"

Fünf Jahre später besucht der praktisch entmachtete Narcissus Seneca, dessen Schützling Domitius inzwischen von Claudius adoptiert worden ist, nachdem der Kaiser Agrippina geheiratet hat.

Britannicus, der Sohn des Claudius, trainiert im Gymnasium mit seinem etwas älteren Freund Piso, der heimlich die Kaisertochter Octavia verehrt, die der nach seiner Adoption Nero genannte Domitius bald heiraten soll. Britannicus beleidigt seinen ungeliebten Stiefbruder, indem er ihn als "Domitia" anredet, worüber sich Agrippina bei Claudius beklagt.

Octavia erwartet im Brautgemach ihren Ehemann, unsicher angesichts dessen, was sie erwartet. Doch Nero, der sich wie sie in diese Heirat fügen mußte und immer noch lieber Künstler sein würde, vollzieht die Ehe nicht. Wichtiger ist ihm, daß er am nächsten Tag Paris wiedersehen darf.

Agrippina, die befürchtet, ihre Macht über Claudius zu verlieren, will ihm zuvorkommen und läßt ihn mit Hilfe der Giftmischerin Locusta umbringen. Nach außen hin wird der Tod des Claudius als Schlaganfall dargestellt. Nero wird von den Soldaten zum Kaiser ausgerufen.

3. Teil. "Der Kaiser"

Bei den ersten Regierungshandlungen des neuen Kaisers hat stets seine Mutter das letzte Wort. Doch als Agrippina auch beim Empfang einer armenischen Gesandtschaft zugegen sein will, schickt Nero sie wieder fort; das Verhältnis der beiden ist fortan gespannt. Die Freigelassene Akte wird Neros Geliebte; Agrippina ist wütend, als sie es von Lepida erfährt, noch mehr, als Nero davon spricht, dem Thron zu entsagen, um als Künstler zu leben. Doch dann läßt er Britannicus vor aller Augen vergiften; Agrippina ist erschüttert.

Piso trifft sich heimlich mit Octavia, die immer noch Jungfrau ist, weswegen er sie nicht körperlich lieben kann.

Seneca ermahnt Nero, als dieser seine Mutter aus dem Palast entfernt und sie nicht mehr besucht. Dafür geht Akte zu ihr, die nicht mehr Neros Geliebte ist. Nero feiert bei seinen Freund Otho, und es ist unter anderem die Rede von Othos Geliebter Poppäa, als Paris berichtet, daß Plautus, ein Verwandter des Kaiserhauses, heimlich Agrippina besucht. Nero will scharfe Maßnahmen ergreifen, läßt sich aber überreden, Seneca und den Praetorianerpraefecten Burrus zu seiner Mutter zu schicken. Agrippina verteidigt sich gegen den Vorwurf des Hochverrats. Nero besucht seine Mutter noch einmal, die sich nach Tusculum zurückziehen will, nicht ohne ihrem Sohn noch Ratschläge für den Krieg gegen die Parther zu geben.

4. Teil: "Nero"

Nero geht nachts mit seinen Freunden, darunter Otho, der inzwischen mit Poppäa verheiratet ist, incognito in die Subura. Unterwegs stoßen sie auf Piso, der gezwungenermaßen auf den Streifzug mitkommt. In einer Schenke wird Mamilius, einer von Neros Gefährten, erstochen, als ihn ein Mann erkennt, dessen Frau durch Mamilius' Schuld umgekommen ist. Der Verhaftung durch die Wache entgehen sie, weil sie sich zu erkennen geben. Piso ist angeekelt.

Nero hat Poppäa, von deren Schönheit Otho nicht zu rühmen aufhört, zu sich bestellt, und macht sie zu seiner Geliebten.

Auf ihren Rat schickt Nero Piso mit einem Standbild von sich, das er für nicht gut getroffen hält, zu Agrippina nach Tusculum. Diese ist durch das Leben auf dem Lande verändert; Piso und sie werden ein Paar.

Nero nimmt an einer Senatssitzung teil, ist aber nicht ganz bei der Sache, weil er ständig an die echten oder eingebildeten Intrigen in seiner Umgebung denken muß. Er schickt Otho nach Lusitanien, um Poppäa ganz für sich zu haben, die, obwohl sie ihren Mann liebt, die Chance wahrnehmen will, Kaiserin zu werden, auch wenn dem noch Octavia und Agrippina im Weg stehen. Der Praetorianer Tigellinus, der Nachfolger des Burrus werden will, unterstützt sie dabei.

Agrippina wird von Nero nach Bajä eingeladen und befürchtet, daß man an ihr Leben will, zumal ein Bote des Piso eine entsprechende Warnung überbringt. Sie beschließt aber, sich nicht zu verkriechen, sondern zu reisen. Nero und seine Mutter treffen sich ein letztes Mal. Agrippina macht sich kurzfristig Hoffnung, ihren Einfluß wiederzugewinnen, doch Nero läßt sie schließlich auf das Schiff gehen, das er für den Anschlag auf sie vorbereitet hat. Agrippina kann sich aber schwimmend an Land retten. Sie weiß aber, daß der tödliche Schlag nur verschoben ist, und stellt sich den Mördern unerschrocken entgegen.

Nero gibt den Tod seiner Mutter als Selbstmord nach einem mißglückten Anschlag auf ihn aus. Seneca will sich vom Hof zurückziehen, aber Nero weist die Bitte zurück. Seneca, Burrus und Piso müssen erkennen, daß sie verloren haben.

Anmerkung

[[1]] Koenig schrieb den Roman Anfang der 1940er Jahre in Wien, von nationalsozialistischer Verfolgung bedroht. 1942 wurde sie in den Osten deportiert, wo sie (wahrscheinlich in Minsk) umkam.

Erste Veröffentlichung: 13. Oktober 2000.
16. August 2013: Literatur ergänzt, Reihenfolge umgestellt.