Peter Hars

Der Dareikos

Stuttgart : Theiss, 1992.

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Inhalt

"Harpakos in der Schlacht bei Marathon"

Der attische Töpfer Harpakos kämpft in der Schlacht von Marathon gegen die Perser. Einem erschlagenen Gegner nimmt er unter anderem einen Dareikos, eine persische Goldmünze, ab.

"Sokrates' Freunde"

Einige Freunde, unter ihnen Harpakos' Enkel Kriton und sein Sohn Kritobulos, wollen den zum Tode verurteilten Sokrates aus der Haft befreien, doch der Philosoph lehnt ab. Der Dareikos dient dazu, einen tyrischen Schiffer für die geplante Flucht zu bezahlen.

"Hochzeit auf Befehl Alexanders des Großen"

In Susa vermählen sich auf Geheiß Alexanders makedonische Edle, unter ihnen der Reiterführer Erymatos, mit vornehmen Perserinnen. Erymatos' Braut ist Syleigambis, eine Nachfahrin des von Harpakos getöteten Persers, die von Alexander als Brautgeschenk den Dareikos erhalten hat.

"Das Geheimnis des Archimedes"

Im von den Römern belagerten Syrakus lebt der alte Naturforscher Archimedes (ein Nachfahre sowohl des Harpakos als auch der Syleigambis) mit seiner Familie, darunter seine junge Enkelin Kathaira, die seine Begeisterung für die Mathematik geerbt hat. Obwohl es vor allem die von ihm konstruierten Maschinen sind, die die Römer so lange abwehren können, zeigt Archimedes nur wenig Interesse für die Zeitverhältnisse. Viel mehr beschäftigt ihn eine Entdeckung, von der er vermutet, daß sie die Mathematik revolutionieren könnte, nämlich das dezimale Zahlensystem. Gerade als er es Kathaira als erstem Menschen erläutern will, dringen die Römer in die Stadt und plündern sie. Archimedes wird von den Soldaten getötet, Kathaira vergewaltigt.

"Ein junger Mann bei der Leibgarde Iulius Caesars"

Marcus Tribonius, ein Nachkomme Kathairas, wird von seinem Patron Pompeius nach Gallien in das Heerlager Caesars geschickt, der ihn freundlich aufnimmt und in seine Leibwache einreiht. Schon am ersten Tag lernt Marcus die junge Gallierin Gwynda kennen, die ihm und einem Freund ein Fischmahl bereitet. In der folgenden Zeit trifft sich Marcus immer wieder mit Gwynda, und die beiden werden ein heimliches Liebespaar. Schließlich erhält das Heer den langerwarteten Befehl zum Aufbruch nach dem unbekannten Britannien. Marcus verabschiedet sich von der auf einmal etwas verstört wirkenden Gwynda, die ihm für die Invasion ein Amulett versprochen hat; als Gegengabe schenkt Marcus ihr den Dareikos, den er für eine keltische Münze hält. Noch vor Aufbruch der Flotte ist Gwynda verschwunden, und Marcus erkennt, daß sie ihn benutzt hat, um den Invasionszeitpunkt zu erfahren und die Britannier zu warnen, die sich dementsprechend an der Küste aufgestellt haben und Caesars Plan eines Überraschungsangriffs vereiteln. Die Römer müssen sich nach wenigen Tagen wieder nach Gallien zurückziehen.

"Der Gefangene des Teutoburger Waldes"

Der germanische Junge Diutimar findet im Wald einen römischen Soldaten, versprengt aus der vernichtenden Schlacht im Teutoburger Wald vor zwei Wochen. Er bringt den Legionär, der den Dareikos bei sich hat, auf den Hof, wo sein in der Schlacht verwundeter Vater Childubrand liegt. Der ältere Sohn Gesibert will den Römer (er heißt Domitius und kommt aus Pompeii) den Göttern opfern, doch Childubrand mahnt zur Milde, da die Römer den Germanen auch viel Gutes gebracht haben und der Sieg des Arminius weitere Probleme aufgeworfen hat, die nur ein kaum zu erreichendes germanisches Großreich vielleicht lösen könnte. Childubrand will Domitius (einen Nachfahren des Harpakos) gegen Lösegeld freigeben, doch er stirbt an seiner Verwundung, und Gesibert läßt den Römer umbringen. Dreihundert Jahren später heiraten zwei Nachkommen des Domitius und des Diutimar.

"Das Passahmahl"

Am Passahabend kommt Joseph von Arimathea, ein Mitglied des Sanhedrin, zu seiner Familie. Er hat den römischen Statthalter Pilatus darum gebeten, die Leiche des hingerichteten Jeschua für die Bestattung freizugeben. Weil er den Palast des Statthalters betreten mußte und deshalb unrein geworden ist, fürchtet er, das Passahfest nicht mitfeiern zu können, doch seine Familie überzeugt ihn, daß er nicht anders handeln konnte. Beim Mahl unterhalten sie sich über die Ereignisse, die zum Tod Jeschuas führten. Joseph muß zugeben, daß er selbst für die Hinrichtung gestimmt hat, nachdem Jeschua sich über die Menschen gestellt hat, doch kann er nichts auf die Frage seiner Frau antworten, ob Jeschua nicht vielleicht doch recht hatte. Der Dareikos, den Joseph seinem Sohn Jakob verehrt, wird später unter den Trümmern des von den Römern eroberten Jerusalem verborgen.

"Der Gote Badwin und die Hagia Sophia"

An der Ausschmückung der Kirche der Hagia Sophia unter Kaiser Iustinian wirkt auch der gotische Kunsthandwerker Badwin mit, der nach der Eroberung des Vandalenreiches nach Konstantinopel gekommen ist. Er schafft ein Prunkkreuz, in das unter anderem der wiedergefundene Dareikos eingelassen ist. Gesandte der Westgoten, die in Italien gegen die Truppen Belisars kämpfen, suchen ihn heimlich auf. Nach der feierlichen Einweihung der Hagia Sophia führt man Badwin zu den jetzt eingekerkerten Goten; sein Herz versagt.

"Die Kaiserpfalz Karls des Großen - und das Ende"

Als Byzanz im Jahr 812 wieder diplomatische Beziehungen mit dem Frankenherrscher Karl aufnimmt, schickt man diesem als Geschenk das Kreuz Badwins mit dem Dareikos. Es wird später von Wikingern geraubt, geht aber in der Nordsee verloren. Nach dem Zweiten Weltkrieg findet man den Dareikos bei der Bergung eines U-Boot-Wracks, und die Münze gelangt in den Handel, wo sie der Erzähler erwirbt, der wie alle heute lebenden Menschen ein Nachfahre des Harpakos und der anderen Gestalten der Erzählung ist.

Bewertung

Literarisch ist das offenkundige Erstlingswerk eines Bankmanagers nichts sehr hoch einzuschätzen, läßt sich aber zumindest flüssig lesen. Auffällig ist die starke Betonung des auktorialen Erzählers, der sich oft sehr breit über die historischen Vorgänge ausläßt. Doch auch in Gesprächen werden Antiquaria geschildert, so das Pompeiustheater (S. 184-187). Die Biederkeit des Erzählstils erinnert mitunter etwas an Hans Dieter Stöver, von dem ein Werk im selben Verlag erschienen ist.

Durchgängig und vom Dareikos symbolisiert ist die Grundidee des Verfassers, daß alle Menschen irgendwie miteinander verwandt sind. Anscheinend glaubt Hars wirklich, daß z. B. Archimedes sein Vorfahre ist. Der "mathematische" Beweis am Schluß (S. 329-331) kann freilich nicht recht überzeugen. Der Dareikos steht an keiner Stelle wirklich im Mittelpunkt der Handlung (anders als beim sonst nicht unähnlichen "Amulett" von Bergius), sondern dient eher als nebensächlicher Vorwand für die Verkettung der einzelnen Episoden.

Deren historischer Kontext ist in den meisten Fällen recht gut wiedergegeben; so kann z. B. auch die Erörterung des germanischen Standpunkts als durchaus differenziert gelten. Es gibt einige sachliche Versehen: