Rebecca East

A.D. 62: Pompeii

iUniverse, 2003.

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Das Motiv der Zeitreise dient hier als Grundidee für eine über weite Passagen didaktische Schilderung, die aber als weitgehend gelungen gelten kann. Miranda ist in der Lage, mit den Kenntnissen einer modernen Wissenschaftlerin das, was sie sieht und erlebt, sofort zu interpretieren. Auf diese Weise gelingt es der Autorin meist, das rechte Maß zwischen Fremdheit und Vertrautheit bei der Darstellung antiker Mentalitäten zu wahren. Auf ihrer Website hat sie weiteres erläuterndes Material bereitgestellt.

Freilich merkt man dem Roman an, daß er ohne Lektorat veröffentlicht wurde; einige Passagen hätten der Überarbeitung und Kürzung bedurft. Wer ist etwa das gedachte Publikum für die seitenlange Schilderung des Hauses in Kapitel 5? Hier schlägt auch im 21. Jahrhundert das Dilemma des gelehrten Professorenromans zu, daß eine wirklich glaubhafte Verbindung von fiktiver Handlung und antiquarischen Informationen nur in seltenen Fällen glückt. Daneben gibt es einige Redundanzen, so finden sich S. 125 und 164 ähnliche Passagen über Herren, die sich gegenüber ihren Sklavinnen zurückhalten, S. 112 und 145 überschneidende Beschreibungen eines Gastmahls.

Die Entwicklung der Handlung als Kapitel 22 bekommt teilweise kolportagehafte Züge und leichte logische Löcher; auch hier hätte ein Lektorat geholfen, dem vielleicht auch aufgefallen wäre, daß Mirandas Erschrecken über die mit Schwangerschaft und Geburt verbundenen Gefahren (S. 272) reichlich spät kommt angesichts der Tatsache, daß sie schon viele Monate zuvor mit Marcus geschlafen hat.

Es gibt, auch dies der Veröffentlichungsweise als Print-on-demand geschuldet, einige Druckfehler, wenn auch nicht deutlich mehr als bei mancher Verlagspublikation.

Die Sachinformationen sind erwartungsgemäß durchweg zuverlässig, mit nur einigen zweifelhaften Einzelheiten.

Die Autorin hat auf ihrer Website http://www.rebecca-east.com/ Abbildungen und ergänzendes Material bereitgestellt.

Inhalt

1. Die junge Altertumswissenschaftlerin Miranda stellt sich als Versuchsperson für ein Zeitreise-Experiment zur Verfügung. Sie soll einige Tage in das 1. Jahrhundert n. Chr. reisen und dann zurückkehren. Miranda landet zur Zeit Neros vor der Küste Kampaniens und gerät zwei Fischern ins Netz, die ihren seltsamen Fang zu ihrer Mutter bringen. Diese beschließt, die Fremde in Neapolis als Sklavin zu verkaufen.

2. Die Alte erzielt für Miranda keinen hohen Erlös, weil sie keine Papiere für ihre angeblich langjährige Sklavin hat. Der Sklavenhändler sperrt Miranda mit Germanen zusammen.

3. Während sie mit den Germanen nicht sprechen kann, gelingt es Miranda, mit einem griechischen Sklaven in der Nebenzelle Kontakt aufzunehmen. Als Dank dafür, daß sie mit einer (aus dem 21. Jahrhundert mitgebrachten) Salbe eine Wunde geheilt hat, gibt Demetrius ihr Ratschläge, wie sie zu einem guten Herrn kommen kann. Demetrius schafft es, von dem ihm zusagenden Gutsverwalter Alexander gekauft zu werden, und er kann auch dafür sorgen, daß Miranda mitkommen darf. Sie werden nach Pompeii gebracht.

4. Miranda wird Haussklavin in der Familie des vornehmen Marcus Tullius und dessen Frau Holconia. (Sie will die Gelegenheit benutzen, so Einblicke in einen römischen Haushalt zu gewinnen, bevor sie wieder in ihre Zeit zurückreist.)

5. Die Haushälterin Damaris und Iris, Kammersklavin der Herrin (und Bettgenossin des Herrn) zeigen Miranda das Wohngebäude der Villa vor den Toren Pompeiis. Die Neuangekommene steht am unteren Ende der Hierarchie und muß vor allem Reinigungsarbeiten übernehmen. Als Holconia Mirandas langes blondes Haar sieht, läßt sie es scheren, um eine Perücke daraus zu machen. Später wird Miranda dem von einer Reise zurückgekehrten Marcus Tullius vorgestellt, zu dem sie sofort Vertrauen hat.

6. Miranda beschließt, in ihre Zeit zurückzukehren. Sie kann in der Nacht über das Dach die Villa verlassen, nachdem sie eine Livius-Rolle aus der Bibliothek an sich genommen hat. Zum ersten Mal betritt sie die Stadt Pompeii, wo sie viele Gebäude von den späteren Ausgrabungen wiedererkennt, z. B. den Tempel der Fortuna Augusta, den ein Vorfahr des Marcus Tullius errichten ließ, den Isistempel und das Amphitheater, in dem es zwei Jahre zuvor zu Ausschreitungen gekommen ist. Hier verbirgt Miranda als Beleg für ihre Anwesenheit eine gekennzeichnete Scherbe und will die Vorrichtung aktivieren, die sie in ihre Zeit zurückbringt, doch nichts passiert.

7. Erschüttert über die Aussicht, in römischer Zeit bleiben zu müssen, kehrt Miranda zur Villa zurück. Die wütende Holconia läßt sie auspeitschen, bis ihr Mann einschreitet.

8. Miranda muß sich nun auf Dauer in das Sklavendasein fügen. Um sie vor Holconia und dem Mitsklaven Stronnius zu beschützen, bringt Demetrius Alexander dazu, sie zur Konkubine zu erbitten, doch Miranda lehnt ab. Über ihre Fähigkeiten im Flötenspielen und Geschichtenerzählen befreundet sie sich allmählich mit dem Koch Gnaeus und Tullia, der Tochter des Hauses.

9. Auch Marcus Tullius wird auf Miranda aufmerksam, und sie erkennt, daß sein Wohlwollen ihre beste Absicherung ist.

10. Er fragt sie über ihre Herkunft aus einem angeblich untergegangenen Land weit im Westen aus, wo sie eine Priesterin gewesen sei.

11. Gnaeus erzählt Miranda, daß er ursprünglich ein freier Mann war und sich in die Sklaverei verkaufte, als ein Feuer sein Geschäft vernichtete und seine Familie dabei umkam.

12. Miranda lebt sich allmählich ein. Marcus Tullius macht sie zu Tullias persönlicher Dienerin.

13. Im Oktober werden die Haussklaven zur Mithilfe bei der Weinernte aufs Land geschickt. Miranda nutzt die momentane Freiheit für einen Lauf, wird aber von Tullius zurückgebracht. Beim abschließenden Fest läßt sich der Herr überreden, mit Iris zu tanzen, was bei Miranda eifersüchtige Gefühle auslöst.

14. Miranda bedient jetzt auch bei Gastmählern der Familie, wo sie die unabhängige Julia Felix und den Soldaten Caesius (der vom Boudicca-Aufstand in Britannien erzählt) kennenlernt.

15. Miranda warnt Marcus vor dem im kommenden Frühjahr (62 n. Chr.) bevorstehenden schweren Erdbeben, von dem sie durch ihre prophetische Gabe erfahren habe. Er glaubt ihr und beginnt, Vorbereitungen zu treffen. Miranda wird klar, daß sie sich in ihren Herrn verliebt hat.

16. Das Erdbeben findet statt wie »vorhergesagt«, und Marcus wertet Mirandas Status im Haushalt auf. Sie genießt ihre Rolle als Dienerin Tullias, besonders die Besuche bei Julia Felix.

17. Miranda befürchtet, daß ihr Leben sich zum Schlechten verändern wird, wenn die Familie beschließt, Tullia zu verheiraten. Deren Bruder, der heranwachsende Marcus junior, versucht sich an Miranda heranzumachen. Sie wehrt ihn durch die Drohung mit einem Fluch ab und erhält Unterstützung durch Marcus’ Vater.

18. Tullias in Aussicht genommener Bräutigam ist Lucius Popidius Secundus, Sohn einer angesehenen Familie. Das unsichere Mädchen sucht Rat bei Julia Felix. Bei einem Gastmahl lernt sie Popidius und dessen Eltern kennen. Die Familie steht in Verbindung mit dem Hof Neros und dessen zukünftiger Frau Poppaea Sabina.

19. Miranda will in Tullias Interesse die Heirat verhindern und erzählt Marcus, sie habe den Tod seiner Tochter vorausgesehen, wenn sie Popidius heirate. Er bricht die Verhandlungen über die Mitgift ab. Vor allem Holconia ist verärgert, doch Marcus steht zu seiner Entscheidung. Noch weist Miranda die Annäherungsversuche zurück, die er ihr jetzt macht.

20. Als der Herr abwesend ist, gibt Holconia ein Gastmahl, das etwas anders verläuft als gewohnt. Zwei Gäste machen sich an Iris und Miranda heran, und Holconia kündigt an, ihnen die Mädchen aufs Zimmer zu schicken. Miranda flieht an die Küste und versteckt sich. Als sie zurückkehrt, peitscht Marcus sie eigenhändig aus, hält die zur Aufrechterhaltung seiner Autorität erforderliche Strafe aber so gering wie möglich. Er versorgt Mirandas Wunden und schickt sie aufs Land, wo seine frühere Amme sich um sie kümmert.

21. Bei den Saturnalien im Dezember feiern die Sklaven ausgelassen, aber Miranda möchte nicht mit Demetrius auf einem Sofa liegen. Sie trifft in der Küche Marcus, der sie mit in sein Zimmer nimmt. Jetzt weist sie seine Annäherungen nicht mehr zurück, und die beiden werden ein Liebespaar. Obwohl sie glücklich ist, mit Marcus zusammenzusein, empfindet Miranda ihre Stellung gegenüber den meisten anderen Angehörigen des Haushalts als seltsam.

22. Miranda findet ein ihr gewidmetes Fluchtäfelchen und überlegt, wer ihr übel gesinnt ist. Im August bricht eine Seuche aus, die zunächst den Sohn Marcus tötet. Als weitere Angehörige des Haushalts erfaßt werden, schließlich auch Marcus Tullius, organisiert Miranda die Pflege und kann die meisten Erkrankten retten. Der dankbare Marcus läßt sie frei. Eines Nachts entdeckt er den Rückkehrmechanismus in Mirandas Arm, der jetzt wieder zu funktionieren scheint. Miranda entschließt sich, ihm ihre wahre Herkunft zu erzählen. Marcus glaubt ihr, und aus Angst, sie zu verlieren, läßt er gegen ihre Einwände den Mechanismus entfernen. Sie hat jetzt keine andere Möglichkeit als die, bei ihm zu bleiben.

23. Während Marcus nach Rom gereist ist, nimmt Holconia Miranda mit zu einem Ausflug nach Baiae. Miranda schöpft keinen Verdacht, als sie Holconia bei einem Besuch begleitet, doch dann muß sie feststellen, daß sie an einen Aulus Mamius Flaccus verkauft worden ist. Vergeblich protestiert sie und wird hart bestraft, als sie ihren neuen Herrn ansprechen will. Unterdessen ahnt Tullia, daß ihre Mutter am Verschwinden Mirandas beteiligt ist, und läßt ihren Vater benachrichtigen. Dieser reist sofort nach Baiae und findet heraus, wohin Holconia (von der er sich scheiden läßt) Miranda gebracht hat.

24./25. Mamius will Miranda aber nicht verkaufen, und so faßt Marcus einen Plan zur Befreiung. Als auswärtiger Händler schleicht sich Demetrius bei einem Gastmahl des Mamius ein und kann erreichen, daß ihm Miranda gegen ein Pfand ausgeliehen wird. Er bringt sie in einen Gasthof, wo Marcus wartet. Bevor sie aus Baiae fliehen können, erscheinen aber Schläger des Mamius, die Demetrius schwer verwunden; mit Mirandas Hilfe kann Marcus einen von ihnen töten und die anderen in die Flucht schlagen. Sie verlassen eilends die Stadt und finden Zuflucht in der Villa des Petronius, eines Freundes von Marcus. Demetrius bleibt dort zurück, während Marcus und Miranda nach Pompeii reisen. Weiterer Bestandteil des Planes ist Mirands Adoption durch Julia Felix, um ihre Position bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu verbessern.

26. Mit kaiserlicher Genehmigung wird Miranda adoptiert. Mamius erhebt erwartungsgemäß Klage, aber Gerichtsstand ist Pompeii, wo Marcus seinen Einfluß geltend machen kann. Er kann seine Position und damit Mirandas Freiheit in einem aufsehenerregenden Prozeß durchsetzen.

27. Miranda lebt jetzt bei Julia Felix, aber Marcus will sie heiraten. Miranda ist zunächst unsicher, zumal Marcus ihr als Alternative auch ihre Rückkehrvorrichtung anbietet, aber dann entscheidet sie sich, bei Marcus zu bleiben, der ihr seine Liebe erklärt und weitere Zugeständnisse gemacht hat.

28. Die beiden heiraten nach römischer Sitte.

29. Miranda findet sich in ihr neues Leben und erkennt, daß sie jetzt zu Hause ist.

13. April 2007: Erste Veröffentlichung.
2. Juni 2007: kleine Ergänzung.

Das Rezensionsexemplar wurde von der Autorin zur Verfügung gestellt.