Friedrich Doehle

Irmintrut : Roman aus der Vorzeit des Katten- und Hermundurenkrieges

Leipzig : Verl. Teutonia, 1906.

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Inhalt

Der Hermundure Beringard und seine Schwiegertochter Irmintrut sind unterwegs ins Chattenland, wo Irmintrut die heilige Quelle der Frau Holle aufsuchen will, um ihrer Unfruchtbarkeit abzuhelfen. Über Nacht finden sie gastliche Aufnahme auf dem Hof des Chatten Eberwin. Seine Schwiegertochter Berta hat selbst gerade ein Kind bekommen, nachdem sie in der Quelle badete.

Am nächsten Morgen kehren die beiden Söhne des Hausherrn, der junge Haribald und Bertas Mann Godomar, von der Jagd zurück. Bei ihnen ist auch der römische Schalk [=Sklave] Cornelius, der Haribald manches über das römische Reich erzählt hat. Haribald ist dabei, sich in die schöne Irmintrut zu verlieben, doch sie muß ihn zurückweisen (schenkt ihm aber zumindest einen Kuß) und macht ihm Hoffnung, ihre noch ledige Schwester Swanahild zu heiraten. Die germanischen Schalke, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit den Römern verknechtet wurden, erfahren von einem Orakel, daß tödliche Kämpfe bevorstehen.

Der Aufbruch zur Quelle verzögert sich wegen schlechten Wetters. Cornelius erzählt Haribald, daß den Chatten bald ein Konflikt mit den Hermunduren droht, u. a. um den Besitz von Salzquellen.

Haribald führt Irmintrut, Beringard und zwei Knechte zur Quelle. Als Irmintrut gerade mit ihrem Bad fertig ist, werden sie vom Adaling Wolfgar überfallen. Haribald kann Irmintrut in einer Höhle in Sicherheit bringen, aber als er zum Kampfplatz zurückkehrt, findet er die drei anderen erschlagen vor. Mit Irmintrut verbringt er die Nacht in der Höhle; die beiden kommen sich dabei recht nahe. Am nächsten Tag erscheint Godomar und schwört Blutrache.

Die Leichen werden zu Eberwins Hof gebracht. Dort halten er, seine Söhne und Irmintrut Rat über die Beisetzung Beringards und die Blutrache gegen Wolfgar.

Haribald geleitet Irmintrut und die Asche Beringards zurück in ihre Heimat. Auf dem Weg machen sie Station bei Haribalds Sippengenossen Anso, der bei der Blutrache helfen soll. Anso setzt gerade einen neuen Priester in sein Amt ein und verspricht seine Unterstützung. Er warnt aber Haribald, auf die Hermunduren achtzugeben.

Schließlich überquert die Gruppe die Grenze zwischen Chatten und Hermunduren und erreicht den Hof von Oswald, Irmintruts Mann. Swanahild verliebt sich sofort in Haribald. Die Hermunduren kommen zu spät, um an der Blutrache noch Anteil zu haben.

Haribald wird für wehrfähig erklärt. Er schenkt Cornelius die Freiheit. Der Römer ist hoch erfreut über solchen Edelmut und reist in Begleitung von Haribald zum Rhein. Dort trifft er den Statthalter Vetus, einen alten Freund, der Haribald bereitwillig die römische Macht zeigt und ihn auffordert, in römische Dienste zu treten. Haribald lehnt ab, um seinem Volk nicht untreu zu werden; auch hat er vor, ins Hermundurenland zu ziehen, wo er um Swanahild werben will.

Doch auf einer Bärenjagd bei Anso wird Haribald verletzt und muß die Reise verschieben. Sein väterlicher Freund Harimut rät Haribald dringlich, von einer Verbindung mit den Hermunduren abzusehen. Doch das lehnt der Jüngling ebenso ab wie den Vorschlag, in die Gefolgschaft des Fürsten zu treten.

Haribald reist zu den Hermunduren, um dort den Winter zu verbringen. Er wird bald in den Kreis der hermundurischen Jungleute aufgenommen, die die langen Winterabende mit den Mädchen verbringen, und kann so mit Swanahild zusammensein.

Die Idylle wird getrübt, als Haribald das Gerücht hört, die Hermunduren würden bei Frühlingsanbruch gegen die Chatten ziehen. Völlig getroffen ist er, als er erfährt, daß Swanahild heimlich noch einen anderen Verehrer hat. Am nächsten Morgen berichtet Haribalds hermundurischer Freund Adalwin, daß der Krieg tatsächlich beschlossen ist. Der Chatte bricht sofort auf; dabei verabschiedet er sich nicht von Swanahild, wohl aber von Irmintrut, die er immer noch verehrt.

Die Hermunduren gewinnen den Krieg. Oswald kehrt aber schwer verwundet heim; Irmintrut hat daraufhin eine Fehlgeburt. Sie ist außer um ihren Mann auch in Sorge um Haribald, von dem nicht bekannt ist, ob er zu den überlebenden und verknechteten Chatten gehört; Eberwin, Godomar und Harimut sind gefallen. Irmintrut läßt den Händler Hildibrandt nach Haribald suchen, doch vorerst vergebens.

Oswald erholt sich etwas und gibt seine Einwilligung, als der hermundurische Krieger Gundebaud um die Hand von Swanahild bittet (deren hermundurischer Geliebter tot ist).

Nach der Hochzeit geht es Oswald aber wieder schlechter, und er stirbt. Irmintrut steht nun ganz allein als Witwe dar. Bei der Beisetzung erfährt sie von Hildibrandt, daß er Haribald als Knecht gefunden hat; sein Besitzer will ihn aber nicht freikaufen lassen. Irmintrut entscheidet sich, Haribald zu befreien und mit ihm zu fliehen.

Irmintrut verläßt ihren Hof und reitet heimlich mit Hildibrandt zu dem Anwesen, auf dem Haribald dient. Der Händler übermittelt ihm die Nachricht von seiner Befreiung, und Haribald trifft sich mit Irmintrut. Die beiden sind glücklich, sich endlich gefunden zu haben, und fliehen gemeinsam Richtung Chattenland. Sie müssen dabei hermundurisches Gebiet durchqueren und haben einige Treffen mit Verfolgern, die Haribald aber bezwingen kann. Schließlich sind sie an der Grenze angelangt und erfahren, daß Anso dort auf chattischer Seite wacht. Der Edeling nimmt die beiden auf.

Bewertung

Ausgangspunkt für die Geschichte ist eine kurze Notiz in den Annalen des Tacitus (13, 57), der von einem Streit in neronischer Zeit (ca. 58 n. Chr.) zwischen den Stämmen der Hermunduren und Chatten um Salzrechte berichtet (allerdings gibt er an, daß die Unterlegenen nicht verknechtet, sondern hingerichtet wurden). Bei Doehle bilden diese Ereignisse aber nur den unerheblichen Hintergrund für eine an sich zeitlose Liebesgeschichte, die das hohe Lied der romantischen Liebe singt.

Das Leben bei den Germanen wird zwar ausführlich geschildert, bleibt aber in manchem doch etwas diffus, ganz davon abgesehen, daß Doehle auch erst viel später bezeugte Volksbräuche unbekümmert in germanische Zeit verlegt. Daß er von Tacitus natürlich auch die Germania gelesen hat, zeigen Passagen wie die über die Hinrichtung von Ehebrecherinnen oder die Wertschätzung für serrati und bigati.

Das römische Reich wird zwar mehrfach erwähnt, aber nur im Bericht über Haribalds Besuch in Mainz ausführlicher geschildert. Hier häufen sich freilich die Klischees, und daß der römische Statthalter Lucius Vetus (ann. 13, 53; sein Nachfolger Curtilius Mancia [ann. 13, 56] wird S. 71 ebenfalls erwähnt) einen einfachen Germanen so intensiv umworben und ihm persönlich die militärischen Einrichtungen gezeigt hätte, kann ich einfach nicht glauben.

Einmal wird die welthistorische Mission der Germanen erwähnt:

"Schon oft hat er [der römische Schalk Cornelius] mir gesagt, daß das große Römerreich untergehen muß, und daß den Germanen das zukünftige Weltreich vorbehalten ist, sobald sie eine höhere Bildung erklommen, die sie ihre Kraft erkennen läßt, und wenn sie einig sind." [S. 14]

Aber ansonsten gibt es auffällig wenig Germanentümelei. Auch der Stil ist vergleichsweise nüchtern, und der Tod zahlreicher Menschen wird recht kurz abgehandelt; Irmintrut darf allerdings zeitweise Trauer zeigen. Nur ansatzweise gibt es eine etwas altertümliche Sprache, aber längst nicht so deutlich wie in manchen Werken der NS-Zeit.