Wilhelm Bölsche

Der Zauber des Königs Arpus : humoristischer Roman aus der römischen Kaiserzeit

Leipzig : Reißner, 1887

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Inhalt

1. Buch: "Die neuen Argonauten"

In Tibur treffen sich die Freunde Fuscus, ein reicher Gutsbesitzer, und Faustinus, ein Ritter, wie üblich zum Umtrunk, zu dem ein Gast, der Kaufmann Severus, ein besonderes Geschenk mitgebracht hat: Eine Sorte Bier, wie sie nur die Chatten im freien Germanien kennen. Die beiden geübten Zecher sind vom neuartigen Genuß so begeistert, daß Faustinus gelobt, zwölf Krüge des Tranks herbeizuschaffen und dafür seinen Ritterring als Pfand aussetzt. Fuscus will auf die Reise ins Barbarenland mitgehen und nimmt die Vorbereitungen in die Hand. Von seinen Sklaven soll ihn vor allem der Germane Chamavus als Dolmetscher begleiten, nicht dagegen das Mädchen Lydia, obwohl sie gern mitmöchte. Sie verkleidet sich heimlich als Fuhrknecht, und nachdem sie unerkannt bewiesen hat, daß sie sehr wohl Strapazen ertragen kann, nehmen Fuscus und Faustinus sie mit.

2. Buch: "Ein Abenteuer an der römisch-germanischen Reichsgrenze"

In Mogontiacum wird die Gesellschaft vom Legionslegaten Stertinius empfangen, der erklärt, daß eine Gesandtschaft zum Chattenkönig Arpus gänzlich ausgeschlossen sei. Aber er nimmt die Tiburtiner mit auf einen Ausflug in das Grenzland jenseits des Rheins. Dort übernachtet man bei einem Duumvirn der Stadt an der Nida. Vom Gelage noch etwas geschwächt, haben Fuscus und Faustinus Mühe, am nächsten Morgen mit Faustinus zum Grenzkastell am Taunuspaß aufzubrechen; ein Feuersignal während der Nacht ist allgemein als Täuschung angesehen worden. Auf dem Weg bleibt der Wagen von Fuscus und Faustinus an einer unebenen Stelle stecken. Mehrere Männer, darunter Faustinus, gehen los, um Hilfe zu holen, kommen aber nicht zurück. Schließlich erscheint eine über die Grenze gebrochene germanische Streifschar, vor der sich Fuscus, Lydia und der Sklave Felix im Wagen verbergen können. Als die Germanen das Wagenverdeck öffnen wollen, schafft Lydia es durch Sang und Saitenspiel, ihnen die Präsenz einer Gottheit vorzugaukeln, und die Germanen schaffen den Wagen mit den drei Insassen unangetastet fort.

3. Buch: "Der Liebesroman des Fuscus"

Chamavus hat sich vor dem germanischen Angriff in die Wälder geflüchtet und folgt dem Wagen heimlich. Bei den drei darin Eingeschlossenen ist es weiterhin Lydia, die durch ihre Geistesgegenwart die Situation unter Kontrolle behält. Die Germanen stellen den Wagen in einem Schuppen mit anderem Beutegut ab und feiern in der Nacht ein großes Gelage; als Lydia sieht, daß alle betrunken daliegen, rät sie zur Flucht. Die drei müssen jedoch erkennen, daß sie in einem Ringwall eingeschlossen sind, der von nüchternen Germanen bewacht wird. Lydia kann einen davon durch ihr Erscheinen als ăGeist" so verwirren, daß sie mit ihren Gefährten den Wall passieren kann. Zur Gruppe ist jetzt auch eine der Töchter des Duumvirn gestoßen, die als einzige ihrer Familie von den Germanen verschleppt wurde. Von ihr erfahren die anderen, daß sie mitnichten schon jenseits der Reichsgrenzen sind, sondern auf einem der Taunusberge. In der Nacht gelangen sie nur bis zu einem Jagdhaus. Fuscus verliebt sich in die Duumvirntochter, die ihm erzählt, daß ihre jüngste Schwester Lucilla vor zehn Jahren verschwunden ist, vielleicht von den Germanen entführt. Auch am nächsten Morgen hat Fuscus Schwierigkeiten, dem Mädchen seine Liebe zu gestehen, bis die Gruppe auf Chamavus trifft, der berichtet, daß die Legionen die Eindringlinge bereits zurückgetrieben haben und auf dem Ringwall belagern. Als der Duumvir mit den Soldaten zu ihnen stößt, erfährt Fuscus endlich den Namen der Angebeteten - Camilla. Alle sind gerettet bis auf Faustinus und den Sklaven Modestus, die ins Chattenland gebracht worden sind. Fuscus gibt Chamavus den Auftrag, nach den Entführten zu suchen, bis die römischen Truppen bereit sind für einen Vorstoß über die Grenze.

4. Buch: "Im Zauberbann des Biers und der Liebe!"

Faustinus und Modestus werden auf die aus Stein gebaute Burg des Arpus im Chattenland gebracht und in ein Turmzimmer gesperrt. Der von einem Jagdausflug zurückkehrende Arpus distanziert sich zwar vom Überfall seiner Landsleute, gibt die Gefangenen aber auch nicht frei, sondern wartet auf Lösegeld. Faustinus tritt ihm selbstbewußt entgegen. Unterdessen trifft Chamavus auf die Chattin Ganna, die er noch aus ihrer Jugend kennt. Sie bietet ihm Unterschlupf in einer Erdhöhle, in der ein Teil des Bieres für die Feiern am Königshof aufbewahrt wird, gerade zwölf Krüge, so viele, wie Faustinus zurückbringen wollte.

Faustinus bringt den Chattenkönig beim gemeinsamen Mahl dazu, seinen Königstrank auszuschenken. Alle betrinken sich, nur Modestus bleibt halbwegs nüchtern und versucht, dem in bierseligen Visionen versunkenen Faustinus klarzumachen, daß die Gelegenheit zur Flucht günstig ist. Sie kommen auch bis zu einem Baum an der Außenmauer der Burg, doch dort ist ein Auerochse angebunden, den Arpus fangen ließ. In derselben Nacht ist die junge Frieda vor der Burg unterwegs, um im Mondenschein Kräuter zu suchen; sie wurde vor zehn Jahren im Wald gefunden und gilt als Götterkind, bestimmt, dereinst Seherin zu werden; Arpus möchte sie aber zu seiner Frau machen. Als sie zurückkehrt, läuft sie dem Auerochsen entgegen, den Modestus losgeschnitten hat. Faustinus kann das Tier von ihr ablenken und wird seinerseits gerettet, als Chamavus den Stier erschießt, um dann wieder im Wald zu verschwinden. Die unverletzte Frieda und die beiden entsprungenen Gefangenen werden von Arpus und seinen Leuten gefunden und wieder in die Burg gebracht.

Am nächsten Tat klettert Frieda vor das Fenster der Gefangenen, um sich für ihre Rettung zu bedanken. Faustinus unterhält sich mit ihr, und Frieda gibt ihm ein Medaillon, das sie im Wald gefunden hat (Chamavus hatte es verloren). Es enthält ein Bildnis der verschollenen Lucilla, in der ohne Zweifel Frieda zu erkennen ist, und außerdem eine Nachricht von Fuscus an Faustinus. Die wiedergefundene Lucilla hilft daraufhin den beiden Gefangenen bei der Flucht, zumal Arpus mit seinen Männern den Römern entgegengezogen ist. Der König kehrt geschlagen allein zu seiner Burg zurück, gerade als die drei Römer sie verlassen wollen. Als die Burg durch einen Blitzschlag in Flammen aufgeht, flüchtet der Chatte; Faustinus trägt Lucilla ins Freie, wo sie auf Fuscus treffen.

Alle sind wieder zurück in Tibur, wo es eine dreifache Hochzeit gibt: Fuscus und Faustinus heiraten die beiden Töchter des Duumvirn, Chamavus Lydia, die ebenso wie er und Modestus die Freiheit erhalten hat. Das geheimnisvolle Kraut für den Königstrank ist verloren, aber Chamavus hat immerhin die zwölf Krüge retten können, dessen letzter bei der Hochzeit gelehrt wird. Fuscus prophezeit, daß das Reich des Weines eines Tages von der Herrschaft des Bieres abgelöst wird.

Bewertung

Nach hundert Jahren mutet ein humoristischer Roman der wilhelminischen Epoche etwas seltsam an, doch letztlich nicht ungewöhnlicher als ernsthafte Romane dieser Zeit. Bewußte und vielleicht auch unbewußte Anachronismen gibt es zur Genüge in diesem Buch; so treten die römischen Offiziere durchweg auf wie preußische Militärs, und auch das Verhalten der Frauen stammt aus dem 19. Jahrhundert. (Bemerkenswert positiv ist die Darstellung der Sklaven, die überwiegend die Rolle des "pfiffigen Dieners" spielen, die seit der antiken Komödie immer wieder in der Literatur zu finden ist.)

Die rein antiquarischen Einzelheiten sind gar nicht einmal falsch geraten; Bölsche gibt über einiges in einem kurzen Anhang Rechenschaft, wie er typisch war für den "Professorenroman" der Zeit, dort aber noch sehr viel ausführlicher. (Es gab in der Antike freilich keine "Quittenmarmelade" [4. Aufl., S. 68].) Manches ist etwas fraglich, so vor allem die Ausdehnung der römischen Herrschaft im Main-Taunus-Bereich: die geschilderte Grenzlinie ist bereits der spätere Limes, der erst unter Domitian erreicht wurde, während diese Geschichte zur Zeit des Titus, etwa zehn Jahre nach dem Bataveraufstand, spielt. Mehrfach erwähnt wird das Kastell im Sattel oberhalb von Nida, also die Saalburg. Nach heutigen Erkenntnissen wurde es erst einige Jahre später errichtet, Bölsche steht aber durchaus auf der Höhe der Forschung seiner Zeit. Interessant wäre es, in diesem Bereich etwaige Veränderungen in den späteren Auflagen des Buches zu verfolgen. In der 4. Auflage lautet die wichtigste Passage (S. 64) im Munde des römischen Offiziers:

"Rechts drüben, wo das Gebirge sich so tief einsattelt, dort steht unser neues Kastell. Das äußerste, das wir bis jetzt haben. Einstweilen ist's man noch klein. Aber das wird ein wichtiger Fleck. Da werdet ihr noch von manchem harten Strauß lesen. Wenn die Chatten's so weiter treiben, muß noch einmal eine rechte große Militärfestung hin. So wie jetzt gehen die Geschichten hier an der Grenze unmöglich weiter. Es sind aber bereits den ganzen Grenzrain lang Pfähle abgesteckt - keine paar Jahre mehr und auch hinter dem Gebirge reiht sich Turm an Turm und Kastell an Kastell."

Weiter erfahren wir über das Lager noch, daß man von dort Trompetensignale mit Nida wechseln kann (S. 72) und daß es dort ein Wirtshaus gibt: "Oben am Grenzkastell liege eine einsame Kneipe. Der Wirt sei ein alter Fuchs. Wenn irgendeiner, so könnte der zu den famosen Krügen verhelfen" (S. 79). Die Besatzung des Kastells hat den Wald um die Quellen des späteren Bad Homburg gerodet (S. 80).

Der römisch-germanische Gegensatz wird grundsätzlich ähnlich wie in anderen Romanen dieser Zeit geschildert, aber doch deutlich mit einer gewissen Parteinahme für die Römer. Wenn auch ihre Militärs sich zeitweilig überrumpeln lassen und die beiden Hauptpersonen des Buches, Fuscus und Faustinus, zeitweilig ziemliche Zauderer und Tölpel sind, die erst von ihren Sklaven Lydia und Modestus (sowie Chamavus, der aber selbst überwiegend eine komische Figur abgibt) auf die richtige Bahn gebracht werden müssen, so sind die Germanen doch durchweg lächerliche Gestalten. Die Schlußrede des Fuscus, in der er einen Sieg des Bieres (= der Germanen) über den Wein (= die Römer) vorhersagt, paßt damit auf den ersten Blick nicht recht zusammen.

Die 4. Auflage weist keine Nachbemerkung mehr auf, und die Kapitelüberschriften sind fortgefallen. Weitere Veränderungen könnte nur ein direkter Vergleich der verschiedene Auflagen feststellen, der bisher nicht möglich war. Eine flüchtige Durchsicht deutet aber daraufhin, als habe Bölsche das im Alter von 26 Jahren verfaßte Werk später zumindest stilistisch überarbeitet; an der Handlung selbst scheint nichts verändert zu sein.