David Friedrich Weinland

Germanentrotz : die Tragödie eines Vielgefeierten

Hamburg : Vogel, [1915]

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Inhalt

I. Rom

1. "Im Kaiserpalast" erhält Augustus die Bitte des Tiberius um Unterstützung in seinem Kampf in Illyrien. Den aus Syrien zurückgekehrten Quintilius Varus schickt er als Statthalter an den Rhein. Der Makler Acilianus beklagt sich beim Kaiser, daß der germanische Offizier Arminius seinen Sohn geschlagen habe. Augustus hat Arminius und seinen älteren Bruder Flavus schon vorher zu sich gerufen. Arminius bittet darum, nach Illyrien geschickt zu werden, doch Augustus kommt dem Anspruch des Älteren nach und macht Arminius zu dessen Nachfolger als Befehlshaber der Palastwache.

"An einem Waldabhang in der Nähe Roms" verabschieden sich Flavus und Arminius und unterhalten sich dabei über das Verhältnis von Rom und Germanien. Arminius bleibt noch dort, als Flavus gegangen ist, und trifft einen Juden mit seiner Tochter, dem Mädchen, das Arminius vor dem Sohn des Acilianus geschützt hat. Der Germane ist verblüfft, vom unbändigen Haß des Juden auf Rom zu erfahren.

Zu einem Gastmahl am "Abend im Garten des Varus" finden sich Acilianus, der bisherige Statthalter von Germanien, Sentius Saturninus, und Arminius ein. Der Gastgeber fordert letzteren auf, mit ihm nach Germanien zurückzukehren, und Arminius sagt ungeduldig zu.

II. Freiheit!

"Am Opfersteine in wilder Schlucht" trifft Armin die Tochter des Segestes, bevor er noch einmal zu Varus geht. Unterdessen treffen sich die Führer der Germanen und sprechen über den bevorstehenden Kampf gegen die Römer. Armins Vater, der alte Siegmar, erscheint, später auch Armin selbst, der berichtet, wie Segest versucht hat, Varus den Plan der Germanen zu verraten. Armin wird zum Herzog ausgerufen und gibt die Parole aus: "Freiheit oder Tod!"

"Vor Siegmars Burg" bereiten die Frauen, darunter Segests Tochter Thusnelda, in banger Erwartung alles für die Rückkehr der Krieger aus der Schlacht vor. Endlich kommen erste Boten und dann der siegreiche Armin selbst. Sein Onkel Ingomar ist der einzige, der Neid auf seinen Erfolg erkennen läßt. Während die gefangenen Römer (Varus hat sich selbst getötet) am Opferstein geschlachtet werden, versorgen die Frauen, darunter Thusnelda, die Verwundeten.

III. Das Weib

"Am Steintisch unter der Linde vor der Burg des Segest" trifft sich dieser mit dem Römer Arius und verspricht ihm die Hand seiner Tochter. Thusnelda ist aber heimlich zu Armin unterwegs. Segest schickt ihr seine Leute hinterher, denen es gelingt, Armin zu fangen. Dieser ist aber trotz seiner Lage zuversichtlich.

"Vor Siegmars Burg" sitzen Thusnelda und die Mutter Armins, der wieder frei ist. Segest versucht, seine Tochter zurückzulocken. Ingomar besucht Siegmar, und Thusnelda beklagt sich bei Armin, daß er ihr nichts von seinen Problemen in Ding erzählt.

"Frauengemach in der Burg Segests. Morgendämmerung". Segest hat seine Tochter bei Siegmars Beerdigung entführt. Thusnelda erlebt mit einer Gefährtin, wie Armin versucht, seine Frau zu befreien, aber zurückweichen muß, als die Römer erscheinen. Germanicus führt Thusnelda mit sich fort.

IV. Wunden

In einem "Gemach in Armins Burg" liegt dieser, verwundet nach der Schlacht von Idistaviso. Er berichtet seiner Mutter, wie er den weiterhin romtreuen Flavus getroffen hat. Boten bringen schlechte Nachricht vom Fortgang der Kämpfe unter Führung Ingomars, doch auch die frohe Kunde von der Vernichtung der römischen Flotte.

V. Ende

"Im Walde" verabreden Ingomar und der Chattenfürst Adgandestrius gemeinsames Vorgehen gegen Armin, der ihnen zu mächtig wird und die Germanen jetzt zum Kampf gegen Marbuod vereint. Adgandestrius schickt einen Sklaven nach Rom, um Gift für Arminius zu erbitten.

In der "Methhalle in Armins Burg" feiert man den Sieg über Marbuod. Armin versucht die Kampfgenossen erneut zu langfristiger Planung zu überreden. Der Bote des Adgandestrius kehrt aus Rom zurück. Er hat das Gift zwar nicht offiziell, aber von einem Händler erhalten und mischt es Armin in den Trank, als er von seinen Erlebnissen berichten soll. Als er erzählt, daß Thusnelda und ihr Sohn im Triumphzug des Germanicus mitgeführt wurden, tötet ihn Armin wutentbrannt, um darauf selbst durch die Wirkung des Gifts zusammenzubrechen. Der Sterbende versucht, die Germanen zum Kampf gegen Rom aufzurufen, doch Adgandestrius und seine Anhänger triumphieren; über der Leiche Armins kommt es zum Kampf.

Bewertung

Man kann nicht behaupten, daß Bleymüller dem so oft behandelten Thema neue Aspekte abgerungen hätte, trotz seiner vollmundigen Behauptungen im Vorwort, in dem er sich von den üblichen Darstellungen des Arminius als "Pennälerschwarm" absetzt und eine psychologische Geschichtsdarstellung verspricht, um "die menschliche Teilnahme zu wecken für einen Held unseres Volkes". Mit dieser Angabe kommt man seinen Absichten schon eher auf die Spur, denn das Werk erschien mitten im 1. Weltkrieg. In dieser Zeit war eine differenzierte Betrachtung des Arminius natürlich undenkbar, und in eindimensionaler Weise wird er auf den unermüdlichen Streiter für die germanische Freiheit reduziert, als den man ihn in den meisten Fällen sah. Auch sonst bringt Bleymüller nichts Neues; er verwendet alle kanonisch gewordenen Teile der Überlieferung, und sein Germanenbild ist (einschließlich der besonders betonten untergeordneten Rolle der Frau) höchst konventionell.

Formal ist die Erzählung nicht uninteressant, denn sie ist als Nacherzählung eines Dramas gestaltet (insoweit ist die Bezeichnung "Tragödie" aus dem Untertitel wörtlich zu nehmen): es gibt eine Gliederung in fünf Akte, in jedem der Akte mehrere Bilder. Alle Ereignisse, die nicht an diesen Schauplätzen stattfinden, werden mit dem Mittel des Botenberichtes oder der Mauerschau geschildert; der Erzähler beschränkt sich auf verbindende Texte zwischen den Dialogen, die freilich an einigen Stellen über normale Bühnenanweisungen hinausgehen und eigene Bewertungen oder Interpretationen geben (z. B. S. 21: "Das klang so tiefschmerzlich. Flavus auch ward ergriffen"; S. 28: "Dem jungen Krieger war es heiß geworden bei dem fanatischen Haßausbruche dieses Alten. Es stieg in ihm auf wie ein Mitleiden"). Ob es tatsächlich ein Theaterstück des Autors gegeben hat, ist eher zweifelhaft.