Hans Baumann

Ich zog mit Hannibal

Reutlingen : Ensslin & Laiblin, 1960
München : dtv, 12. Aufl. 1987

(Zur Inhaltsangabe)

Bewertung

Baumanns Schilderung des berühmten Elefantenzugs über die Alpen ist zugleich seine persönliche Rechenschaftslegung über seine nationalsozialistische Vergangenheit. Im Dritten Reich hatte er als regimetreuer Dichter Krieg und Völkerhaß verherrlicht; in diesem Jugendbuch gibt er verschlüsselt zu, einem verbrecherischen Ziel hinterhergelaufen zu sein, so wie es dem jungen Saguntiner (der nie einen eigenen Namen bekommt!) mit Hannibal erging. Freilich bleibt es bei der apologetischen Rechtfertigung, einem genialen Verführer auf den Leim gegangen zu sein, wie sie sich auch bei Zeitgenossen Baumanns findet.

Die zentrale Passage dabei ist der Entschluß des Jungen nach der Schlacht am Trasimener See, sich von Hannibal zu trennen, nachdem dieser erklärt, daß für ihn der Zweck alle Mittel heiligt (S. 169), und der Junge erkennen muß, daß Hannibal ihm jeden Freund genommen hat, vor allem Suru, an den er sich nach dem Verlust seiner Heimat klammern konnte. Auch der Elefant selbst im imaginären Zwiegespräch mit dem Treiber nennt das Thema der Verführung noch einmal (S. 179-180).

Von dieser etwas symbolischen Ebene abgesehen, kann das Werk als historischer Roman durchaus bestehen. Er ist geschickt in seiner Perspektivenwahl, die immer auf die Umgebung des Jungen konzentriert bleibt, ohne die großen Ereignisse außer Acht zu lassen. Zahlreiche Einzelheiten über Karthago oder die früheren Auseinandersetzungen u. a. sind geschickt eingeflochten, und zum Schluß entsteht ein durchaus komplettes Bild der punischen Kriege.

Weitere Meinungen

Ridington (s. u.):

»I found myself touched, particularly near the end, by what seems on the surface only a competently done retelling of the famous march of Hannibal.«

Witthöft (s. u.):

»Es ist eine Abenteuergeschichte, die sich um die Freundschaft zwischen Jungen und Elefanten rankt und zugleich durch die Verbindung mit historischen Personen und Ereignissen Vergangenheit mit Leben füllt. Der geschichtliche Wert ist aus naheliegenden Gründen begrenzt, denn die Andersartigkeit jener Zeit zu schildern, war nicht die Absicht des Autors.«

Wölbert (s. u.):

»Was man in anderen Erzählungen Baumanns immer wieder feststellen kann, trifft auch hier zu: ein umfangreiches und verläßlich gesichertes Sachmaterial, das in einer sprachlich kultivierten Darstellung offeriert wird.«

Literatur

E. F. Ridington, Classical world 56 (1962/63), 131.

Booklist 58 (1962), 480.

Horn Book Magazine 38, April 1962, 178.

Kirkus Reviews 30 (1962), 117.

Library Journal 87 (1962), 2030.

New York Times Book Review 4. März 1962, 34.

H. Witthöft, Jugendbuchmagazin 23 (1973), Heft 2, S. 69.

Hans Eich, Jugendbuchmagazin 25 (1975), 142.

Johannes Wölbert, Jugendbuchmagazin 44 (1994), 102.

Freya Stephan-Kühn, Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 47 (1996), 460.

Monika Rox-Helmer: „Spannung und Rätsel zur Römischen Republik“. In: Geschichte lernen 30 (2007), Heft 117, S. 58–61 (zu Baumann S. 60).

Zu Baumann allgemein

Winfred Kaminski: Heroische Innerlichkeit : Studien zur Jugendliteratur vor und nach 1945. – Frankfurt am Main : dipa-Verlag, 1987. – (Jugend und Medien ; Bd. 14)

Heinz Schreckenberg: Der Hitler-Barde Hans Baumann und sein Wirken vor 1945 : ein katholisches Janusgesicht. – Berlin : Köster, 2009.

Inhalt

»Der Schatzgräber«

In den Ruinen der zerstörten Stadt Sagunt lebt eine Familie mit den Kindern Tana und Morik, die einen alten Mann beim Graben beobachten, offenbar nach verschütteten Schätzen, wie sie selbst es lange versucht haben. Sie suchen den Alten auf, der sich über ihre Hilfe freut und beginnt, ihnen die Geschichte seines Lebens zu erzählen.

»Der große Elefantenzug«

Der Erzähler berichtet, wie in seiner Jugend die Karthager unter Hannibal seine Heimatstadt Sagunt belagern. Als die Stadt fällt, findet einer der karthagischen Kriegselefanten, Suru, den bewußtlosen Jungen. Der Treiber Karthalo nimmt ihn auf, weil Suru ihn zu seinem Treiber ausersehen habe. Im Winterlager bei Neu-Karthago lernt der Junge allmählich Suru und die anderen Elefanten kennen. Mit dem Griechen Silenos, dem Schreiber Hannibals, befreundet er sich, auch wenn dieser nicht so begeistert über die Verwendung von Elefanten im Krieg ist wie Karthalo.

Hannibal kehrt in das Lager zurück und sieht den Jungen bei einer Parade auf Surus Rücken. Es kommt endgültig zum Krieg mit den Römern, und das Heer rückt ab; eine Elefantenkuh bleibt zurück, weil sie gerade ein Kalb bekommen hat. Ohne Probleme erreicht das Heer Gallien, wo es die Rhone überschreiten muß, was den Elefanten nicht ganz leicht fällt.

Auf die Nachricht hin, daß die Römer unter Scipio ihm entgegengezogen sind, beschließt Hannibal, die Alpen zu übersteigen. Beim Überqueren eines Flusses kommen einige Elefanten um. In den Bergen wird das Heer aus dem Hinterhalt angegriffen und erleidet Verluste bei Männern und Tieren, bis es Hannibal gelingt, die Angreifer zu vernichten. Aber auch auf dem weiteren Marsch gibt es wieder einen heimtückischen Angriff der Allobroger. Schließlich erreicht das Heer die verschneite Paßhöhe, wo Hannibal ihm den Ausblick auf die Ebenen Italiens zeigt.

Auch der Abstieg geht nicht ohne Verluste vor sich; nur noch die Hälfte von Männern und Pferden erreicht abgerissen das Land der Salasser, und von 39 Elefanten sind siebzehn übriggeblieben. Hannibal erobert die Stadt der Tauriner und bekommt von den Kelten der Poebene Unterstützung, so daß das Heer allmählich wieder stärker wird und sich dem Kampf mit den Römern unter Scipio stellen kann.

Nach einem Reitergefecht, bei dem der Consul Scipio verwundet wird, ziehen die Römer sich vorerst zurück, doch nach der Ankunft des zweiten Consuls kommt es zur Schlacht an der Trebia. Suru gerät in Raserei und fängt an, Karthager zu zertrampeln. Karthalo will ihn deswegen töten, doch der Junge verhindert es. Karthalo ist verbittert über Surus Versagen, wie er es sieht, und ist auch nicht zufrieden, als Suru ganz allein einen römischen Trupp in die Flucht schlägt.

Suru ist der einzige Elefant, der die ansonsten für die Karthager siegreiche Schlacht überlebt hat. Das Heer wird im Winterlager festgehalten, und Karthalo stirbt.

Beim Vormarsch über den Apennin verliert Hannibal ein Auge. Er lockt das römische Heer am Trasimenischen See in einen Hinterhalt. Vom Rücken Surus aus lenkt er die Schlacht und lockt durch einen Ruf einen römischen Trupp auf sich, den er zwar zurückschlagen kann, doch der Junge und Suru werden verwundet. Als der Junge im Zelt Hannibals wieder zu sich kommt, erlebt er einen Kriegsrat, bei dem Hannibal seinen Unterführer Maharbal dafür tadelt, daß er den Rest des römischen Heers entkommen ließ. Der Junge ist entsetzt über die grausame Seite Hannibals, die er jetzt sieht, und läßt sich von Silenos fortbringen.

Suru ist tot, und der Junge beschließt, Hannibal zu verlassen. Ein ehemaliger Koch im römischen Heer findet ihn und will sich seiner annehmen, doch vorher erscheinen römische Soldaten, die den Jungen als Karthager erkennen und unter dem Namen Suru, den der Koch nannte, als Sklaven festnehmen.

»Der Schatz«

Der Alte erzählt Tana und Morik, wie es ihm seither erging. Die Römer hielten ihn jahrzehntelang in Sklaverei, während Hannibal geschlagen wurde. Schließlich brachte man ihn als Elefantentreiber mit zur Zerstörung Karthagos. Der Alte kehrte von dort nach Sagunt zurück. Am Morgen öffnet er mit den Kindern und ihrem Vater einen Schacht, in dem zwar kein verborgener Schatz steckt, aber ein guter Brunnen, der es möglich macht, an der Stelle ein neues Haus zu bauen.

13. Juni 2010: Reihenfolge umgestellt, Literatur ergänzt.